Gott mit allen Sinnen erfahren

Gott mit allen Sinnen erfahren

Letzte Woche habe ich mich, genauso wie viele Millionen Menschen weltweit am Nachmittag, mit einer Packung Taschentücher bewaffnet, vor den Fernseher gesetzt, um die Trauerfeier für die verstorbene Queen Elizabeth anzusehen. Die moderne Zeit machte es mir sogar möglich, dass ich via Social Media den Ablauf des Gottesdienstes mitlesen konnte. Denn obwohl ich glaube, recht gut Englisch zu sprechen, war dieser doch hilfreich, um der ganzen Feier inhaltlich zu folgen.
Ich bin mir sicher, ohne diese Textblatt wäre mir folgende Stelle gar nicht aufgefallen: „Kostet und seht, wie gut der HERR ist! Selig der Mensch, der zu ihm sich flüchtet!“ (Psalm 34,9) gesungen als Hymnus. Interessant, dass ausgerechnet dieser Psalm gewählt wurde. Was ist eigentlich seine Bedeutung? Kann ich ihn auf mein Leben im Heute anwenden? Ich soll alle meine Sinne einsetzen, um wahrzunehmen, was Gott alles Gutes tut, was er uns geschenkt hat?
Darauf habe ich mich dann gerne in den letzten Tagen einmal eingelassen. Ich habe zum Glück, wie man so schön sagt, meine fünf Sinne beisammen, auch wenn vielleicht das Sehen ohne Brille etwas beeinträchtigt, aber nicht unmöglich wäre.
Das Experiment würde mir gerade jetzt sicher leichtfallen, ist der Herbst doch meine liebste Jahreszeit und bietet eine Fülle an Gottes Geschenken.
Ich spürte den Regen auf meinem Gesicht, wenn ich aus dem geöffneten Fenster schaute. Ich sah, wie sich die vom Sommer verbrannte Erde erholte und wieder grün wurde, und ich sah auch, wie die Blätter sich langsam anfingen zu verfärben und die Welt bunter erscheinen ließen. Ich roch die frische, nebelfeuchte Luft am Morgen, wenn ich mich auf den Weg zur Arbeit machte. Ich hörte den stürmischen Wind um unsere Hausecke wehen und an unseren Rollläden rütteln. Ich schmeckte in meinem Essen, dass ich täglich auf den Tisch bekam, die Ernte dieses Jahres.
Das hat Gott uns als Geschenk gegeben. Während ich mich auf die Natur um mich herum konzentrierte, fühlte ich mich Gott ganz besonders nahe. „Selig der Mensch, der sich zu ihm flüchtet“ Ja, dem kann ich nur zustimmen.
Ich will es nicht nur bei einem Versuch belassen, sondern will weiter Augen und Ohren, Nase und Mund, aber auch meine Haut offenhalten für die Schöpfung, das große Geschenk an uns Menschen und zum Dank dafür alles mir mögliche tun, sie zu bewahren, damit auch unsere Kinder „kosten und sehen, wir gut der Herr ist!“

Manuela Paflitschek, Pastorale Mitarbeiterin

Höre meine Stimme

Höre meine Stimme

Höre meine Stimme,
denn sie ist die Stimme der Opfer aller Kriege
und der Gewalt zwischen den Menschen und Völkern.

Höre meine Stimme,
denn sie ist die Stimme aller Kinder,
die leiden und leiden werden,
wenn die Völker auf den Krieg und die Waffen vertrauen.

Höre meine Stimme,
wenn ich dich bitte, die Menschen mit
der Weisheit des Friedens,
der Kraft der Gerechtigkeit und
dem Glück der Freundschaft zu erfüllen.

Höre meine Stimme
denn ich spreche für die Menschen aller Länder und Zeiten,
die den Krieg nicht wollen und bereit sind,
den Weg des Friedens zu gehen.

Höre meine Stimme,
und schenke uns die Fähigkeit und die Kraft,
auf Hass immer mit Liebe zu antworten,
auf Ungerechtigkeit mit ganzer Hingabe an die Gerechtigkeit,
auf Not mit unserem eigenen Beitrag,
auf Krieg mit Frieden.

O Gott, höre meine Stimme
und schenke der Welt für immer deinen Frieden.

(Johannes Paul II. in Hiroshima)

Jeder Krieg hinterlässt die Welt schlechter, als er sie vorgefunden hat. Krieg ist ein Versagen der Politik und der Menschheit, eine beschämende Kapitulation, eine Niederlage gegenüber den Mächten des Bösen. Halten wir uns nicht mit theoretischen Diskussionen auf, sondern treten wir in Kontakt mit den Wunden, berühren wir das Fleisch der Verletzten. Schauen wir auf die vielen massakrierten Zivilisten als „Kollateralschäden“. Fragen wir die Opfer. Achten wir auf die Flüchtlinge, auf diejenigen, die unter atomarer Strahlung oder chemischen Angriffen gelitten haben, auf die Frauen, die ihre Kinder verloren haben, auf die Kinder, die verstümmelt oder ihrer Kindheit beraubt wurden. Achten wir auf die Wahrheit dieser Gewaltopfer, betrachten wir die Realität mit ihren Augen und hören wir ihren Berichten mit offenem Herzen zu. Dann können wir den Abgrund des Bösen im Innersten des Krieges sehen, und es wird uns nicht stören, als naiv betrachtet zu werden, weil wir uns für den Frieden entschieden haben.

Papst Franziskus (Fratelli tutti 261)

Gebet zum Weltmissionssonntag

Ich will euch Zukunft und Hoffnung geben

Zukunft und Hoffnung willst du uns und deiner Kirche geben –
wir aber wohnen im Exil der Fremde.
Von dir dort hingepflanzt,
beklagen wir den Verlust unserer Gewohnheiten.
Wie schwer tun sich unsere Augen und Ohren
im Schauen und Hören jenseits unserer Grenzen.

Du wirst nicht müde, deinen Menschen
Prophetinnen und Propheten in diesen Zeiten zu schicken,
sie sprechen die Wahrheit in unbequemen Worten.

Du wirst nicht müde, deinen Menschen
den Sturm der Zeit um die Ohren wehen zu lassen
er zwingt festgefahrene Wege zu verlassen.

Du wirst nicht müde,
deine Menschen an dein Heilswort zur rechten Zeit zu erinnern,
es nimmt nicht das Leid, doch es schenkt Neuanfang.

Zukunft und Hoffnung schenkst du uns
auf dem steinigen Weg bergab in die Tiefen unserer Menschlichkeit.
Wo wir einander Gemeinschaft stiften
und uns das Leben gegenseitig erlauben –
dort werden deine Zukunft und Hoffnung in uns wohnen
und uns von allen Grenzen auf deine Verheißung hin befreien.

(Sr. Laura Knäbel MMS)

Warum es keinen Krieg geben kann – ein chinesisches Märchen

Warum es keinen Krieg geben kann – ein chinesisches Märchen

Zwischen zwei Völkern drohte ein Krieg auszubrechen.
Auf beiden Seiten der Grenze lagerten sich die Heere.
Auf beiden Seiten schickten die Feldherrn Kundschafter aus.
Sie sollten herausfinden, wo man am leichtesten in das Nachbarland einfallen könnte.
Beide Kundschafter kehrten zurück und berichteten ihren Feldherren:
Es gibt nur eine einzige Stelle an der Grenze, wo wir in das andere Land einfallen können.
Überall sonst sind hohe Gebirge und tiefe Flüsse.
An dieser Stelle aber, so erzählten sie, hat ein Bauer sein Feld.
Er wohnt dort in einem kleinen Haus mit seiner Frau und mit seinem Kind.
Sie haben sich lieb. Sie sind glücklich.
Ja, es heißt, sie sind die glücklichsten Menschen der Welt.
Wenn wir über das kleine Feld ins Feindesland einmarschieren,
zerstören wir das Glück.
Also, so sagten die Kundschafter, kann es keinen Krieg geben.
Das sahen die Feldherren dann auch wohl oder übel ein,
und der Krieg fand nicht statt – wie jeder Mensch begreifen wird.

In der Bibel gibt es die bezeichnende Stelle:
»Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu
Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert
erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen“ (Jesaja 2,4).

Todo cambia

Unsere Freunde aus Argentinien haben oft das folgende Lied gesungen. Hier die deutsche Übersetzung:

Todo cambia

Cambia lo superficial
Es verändert sich das Oberflächliche,
Cambia también lo profundo
Auch das Tiefgründige ändert sich.
Cambia el modo de pensar
Es ändert sich die Art zu denken –
Cambia todo en este mundo
Alles in dieser Welt verändert sich.

Cambia el clima con los años
Es wandelt sich das Klima, mit den Jahren,
Cambia el pastor su rebaño
Der Hirte wechselt seine Herde.
Y así como todo cambia
Und so, wie alles sich verändert,
Que yo cambie no es extraño
Ist es nicht verwunderlich, dass auch ich mich verändere

Ref.: Cambia, todo cambia (4x)
Es ändert sich, alles verändert sich

Cambia el más fino brillante
Es verändert selbst der feinste Brillant
De mano en mano, su brillo
Seinen Glanz, von Hand zu Hand.
Cambia el nido el pajarillo
Es wechselt das Vögelein sein Nest,
Cambia el sentir un amante
Wie ein Geliebter ändert seine Gefühle.

Cambia el rumbo el caminante
Es ändert seinen Kurs der Wanderer
Aunque esto le cause daño
Auch wenn es ihm schadet.
Y así como todo cambia
Und so, wie alles sich verändert,
Que yo cambie no extraño
Ist es nicht verwunderlich, dass auch ich mich verändere
Ref.: Cambia, todo cambia (4x)
Es ändert sich, alles verändert sich

Cambia el sol en su carrera
Die Sonne verändert ihren Stand,
Cuando la noche subsiste
Während die Nacht fortbesteht.
Cambia la planta y se viste
Die Pflanze wechselt ihr Kleid
De verde en la primavera
Trägt frisches Grün im Frühling.

Cambia el pelaje la fiera
Wie das Wildtier wechselt sein Fell,
Cambia el cabello el anciano
Verändert sich das Haar des Greises.
Y así como todo cambia
Und so, wie alles sich verändert,
Que yo cambie no es extraño
Ist es nicht verwunderlich, dass auch ich mich verändere
Ref.: Cambia, todo cambia (4x)
Es ändert sich, alles verändert sich

Pero no cambia mi amor
Was sich nicht ändert, ist meine Liebe,
Por más lejos que me encuentre
Wie fern auch immer ich sein mag,
Ni el recuerdo ni el dolor
Und nicht das Andenken, und nicht der Schmerz
De mi pueblo y de mi gente
Den ich mit meinem Volk, meinen Leuten empfinde.

Lo que cambió ayer
Was sich gestern geändert hat,
Tendrá que cambiar mañana
Wird sich auch morgen ändern müssen.
Así como cambio yo
So wie ich mich verändere,
En esta tierra lejana
In diesem fernen Land.

Ref.: Cambia, todo cambia (4x)

Pero no cambia mi amor
Was sich nicht ändert, ist meine Liebe,
Por más lejos que me encuentre
Wie fern auch immer ich sein mag,
Ni el recuerdo ni el dolor
Und nicht das Andenken, und nicht der Schmerz
De mi pueblo y de mi gente
Den ich mit meinem Volk, meinen Leuten empfinde.

Lo que cambió ayer
Was sich gestern geändert hat,
Tendrá que cambiar mañana
Wird sich auch morgen ändern müssen.
Así como cambio yo
So wie ich mich verändere,
En esta tierra lejana
In diesem fernen Land.

Ref.: Cambia, todo cambia… (4x)

Nicht ins Endlose

Nicht ins Endlose

Nicht ins Endlose wälzt sich der Strom der Weltgeschichte,
dieser Strom von Blut und Tränen,
von Morden und Gemordetwerden.
Der Sieg der Liebe wird diesem schrecklichen Strom
ein Ende bereiten –
ein Ende, in dem Gott abwischen wird
alle Tränen von allen Augen,
ein Ende, in dem der Tod abgetan sein wird
und Gottes Liebe sein wird alles in allem.

Helmut Gollwitzer

Gebet des Katholikentages

Gebet des Katholikentages

Gott des Lebens und der Ewigkeit.
Jeden Tag gibst du uns Leben von deinem Leben,
Atem und Brot, Geist und Liebe.
In Jesus Christus hast du unser Leben angenommen.
Du hast Freude und Hunger,
Größe und Erbärmlichkeit
mit den Menschen geteilt.
In großen und kleinen Wundern,
in heiligen Zeichen,
mitten im Alltag unseres Lebens
bist du unter uns
und gibst uns Anteil an dir.
Aus deiner Fülle teilen auch wir
Glaube und Hoffnung,
Brot und Rosen,
Freude und Leid,
Zeit und Geld,
Träume und Ideen,
Wissen und Können.

Wir bitten dich, Gott,
dein Heiliger Geist begleite und beseele uns.
Gib deinen Geist in die Sprache und
Sprachlosigkeit der Kirche.
Gib deinen Geist in das Leben und
Miteinander der Menschen am Ort.
Gib deinen Geist allen Christen weltweit
und Frieden zwischen den Religionen und Kulturen.
All unsere Arbeit und Sorge wandle in Segen
Ewiger, lebendiger und Leben teilender Gott.
Amen.

Angedacht für Freitag 8. Juli 2022

Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? (Joh. 11, 25-26)

Vor einigen Tagen fand ich einen Brief in meiner Post mit dem Stempel eines Krankenhauses. Meine Adresse war handschriftlich auf dem Umschlag. Hatte ich etwa noch eine offene Rechnung? Vor einigen Monaten verbrachte ich eine Woche fast Tag und Nacht auf der Palliativstation, um einen lieben Menschen beim Sterben zu begleiten.

Es war aber keine Rechnung, sondern eine Einladung zu einer Andacht zum Gedenken an die Verstorbenen.

Sie trug den Titel: „Den Tod mit ins Leben nehmen“ und ein Bild mit vielen Steinen im Gras. Ich folgte dieser Einladung gern. Vielleicht gibt es dort etwas, dass ich für die Trauerbewältigung mitnehmen kann.

Was haben denn nun Steine mit dem Verlust zu tun oder noch interessanter mit Leben, fragte ich mich. Etwas weniger Lebendiges als einen Stein konnte ich mir nicht vorstellen.

Ist es der Stein, der einem da auf dem Herzen liegt? Oder der steinige Weg, den man gehen muss? Jemand ist kalt wie ein Stein.

Aber kann man einen Stein nicht auch positiv sehen?

Ein Haus aus Stein schützt uns vor Kälte, bildlich fällt uns ein Stein vom Herzen, wir sprechen vom Fels in der Brandung, selbst Jesu Grab war mit einem schweren Stein verschlossen und somit vor äußeren Einflüssen geschützt.

Das erste Mal wieder in das Krankenhaus zu gehen, kostete mich schon Überwindung. Da saß ich nun in der Kapelle des Krankenhauses und sah die Bronzetafel über dem Altar. „Ich bin das Leben“. Im ganzen Raum waren Steine verteilt. Jeder war anders, sie unterschieden sich in Größe und Farbe, Form und, wie uns gesagt wurde, in der Herkunft. So wie wir Menschen auch. Die Steine hat die Zeit geformt und geprägt, wie uns Menschen auch. So muss ich meine anfängliche Ansicht über die Steine zurücknehmen, sie haben doch ganz viel Lebendiges an sich. Und sie bestehen für die Ewigkeit, vielleicht ändern sie ihre Erscheinung, aber ganz weg sind sie nie.

Wir Christen glauben an die Auferstehung und an das ewige Leben, dann können wir sicher sein, dass unsere verstorbenen Lieben nie ganz weg sind, auch wenn sie vielleicht nicht mehr greifbar sind, so wie ein Stein sich mit der Zeit in Sand verwandelt, kein Fels mehr zwar, aber immer noch da. Mit diesem schönen Gedanken kann ich „den Tod mit ins Leben nehmen.“

Manuela Paflitschek, Pastorale Mitarbeiterin

Komm, heiliger Geist,

Komm, heiliger Geist,
schenke uns die Gabe deiner Liebe!

Liebe, die sanft und zärtlich ist,
Liebe, die geduldig und treu ist,
Liebe, die großzügig und gütig ist.

Liebe, die gibt und nicht rechnet,
Liebe, die ermutigt und nicht bevormundet,
Liebe, die schützt und nicht zerstört.

Liebe, die nicht bedrängen will,
Liebe, die nicht fesseln will,
Liebe, die nicht herrschen will.

Liebe voll Zuversicht und Freude.
Liebe voll Humor und Phantasie.
Liebe voll Leben und Kraft.

Komm, heiliger Geist,
entzünde in uns das Feuer deiner Liebe.

(Gisela Baltes, www.impulstexte.de, in: Pfarrbriefservice.de)

GEDANKEN ZU APG 5,27-32.40B-41 UND JOH 21,1-19

„Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit.“ Das klingt so, wie wenn Jugendliche sagen: Ich gehe in die Disco und andere sagen: Wir gehen auch mit. Auf dieser Ebene sind die Jünger Jesu nach den dramatischen Ereignissen der letzten Wochen angekommen. Einst hatte er sie vom ihrem Beruf weggerufen. Sie hatten alles stehen und liegen gelassen und jetzt kehren sie wieder zu ihren alten Berufen zurück, so, als ob nichts gewesen wäre. Dazu kommt noch der Misserfolg: eine ganze Nacht gefischt und nichts gefangen. Dann noch der Mann am Ufer: Habt ihr einen Fisch zum Essen? Nein, nichts, gar nichts. Frustrierender könnte die Situation nicht sein.

Was hat die Situation gewendet? Nichts anderes als damals, als Jesus sie aufrief mit ihm zu gehen. Hier wieder ein so ungewohntes Wort: „Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden.“ Gegen ihre eigene Berufserfahrung tun sie es und erfahren eine Überfülle. Der Fang von 153 Fischen, – so groß war die Zahl der damals bekannten Fischarten, – katapultierte sie in eine Fülle hinein, die sie nur von Jesus her kannten, der sagte: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ Ob dieser Erkenntnis steckte Petrus sein Obergewand in den Gürtel, um leichter schwimmen zu können, und eilt zu Jesus. Dort erwartete ihn und die anderen ein Kohlenfeuer mit Fisch und Brot und der Aufforderung: „Kommt her und esst!“ Da war der Boden bereitet und sie durchbrachen ihre Traumata und fanden sich wieder in den Fußspuren Jesu.
Das anschließende Gespräch zwischen Jesus und Petrus sollte den neuen Aufbruch noch einmal festigen. Durch die dreimalige Befragung des Petrus wurde auf der einen Seite an die vorherige Geschichte der dreimaligen Verleugnung durch Petrus erinnert, auf der anderen Seite die Verleugnung sowie sonstige Schattenseiten durch die dreimalige Frage: „Liebst du mich“ aufgehoben und der Weg für die Zukunft bereitet.
Interessant an diesem Fragegespräch zwischen Jesus und Petrus ist, dass die beiden ganz verschiedene Worte für „lieben“ verwenden, was leider in der deutschen Übersetzung nicht sichtbar wird. Jesus verwendet bei seiner Frage: „Simon, Sohn des Johannes, liebst du mich mehr als diese?“ das griechische Wort: agapein. Wir kennen das Wort von der Agapefeier im Thomashaus. Agape meint jene Liebe, die das Leben gibt, meint das große Ganze, die Liebe als Grundhaltung. Die Antwort des Petrus: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich liebe.“ verwendet ein ganz anderes griechisches Wort für lieben, nämlich philein. Dieses Wort umschreibt die Liebe zwischen Freunden oder Freundinnen.
Eigentlich müsste man übersetzen, dass Jesus fragt: „Petrus liebst du mich?“, und Petrus antwortet: „Ich mag dich schon.“ Dieses Spiel wiederholt sich zweimal, dann geht Jesus auf das Niveau des Petrus und verwendet den Ausdruck des Petrus: philein in seiner dritten Frage, ob er ihn liebe. Das bemerkt Petrus natürlich und wird traurig. Er bemerkt aber auch, dass Jesus von ihm nichts Übermenschliches verlangt. Dies befreit ihn wiederum und er antwortet: „Herr, du weißt alles; du weißt, dass ich dich liebe. Und Jesus ruft ihn aufs Neue in seine Nachfolge mit dem Auftrag: „Weide meine Schafe!“

Die Begegnung am See wird zu einer Sternstunde nach den dramatischen Ereignissen der Kreuzigung Jesu, der daraufhin folgenden Entmutigung, ja mehr des völligen Verlierens der Orientierung, wie es weitergehen soll.
Der Versuch, nach all den Erfahrungen mit Jesus, wieder in den Alltag zurückzukehren als wäre nichts gewesen, schlägt fehl. Am Ufer, am Land, an der Grenze von See und Land, da erwartet sie wieder der Rufer des Beginns.

Es hätte auch ganz anders ausgehen können. Von Christoph Hein gibt es eine Novelle, in der er das Leben einer Ärztin schildert, deren Ehe in die Brüche ging. Dies schockierte sie so, dass sie niemanden mehr an sich heranlässt. Sie schreibt: „Ich bin auf alles eingerichtet, ich bin gegen alles gewappnet, mich wird nichts mehr verletzen. Ich bin unverletzlich geworden. Ich habe in Drachenblut gebadet, und kein Lindenblatt ließ mich irgendwo schutzlos. Aus dieser Haut komme ich nicht mehr heraus. In meiner unverletzlichen Hülle werde ich krepieren…“ Die Novelle schließt folgendermaßen: „Es geht mir gut. Heute rief Mutter an, und ich versprach bald vorbeizukommen. Mir geht es glänzend, sagte ich ihr… Ich bin ausgeglichen. … Ich habe Pläne. Ich arbeite gerne in der Klinik. … Ich habe einen hervorragenden Frauenarzt, schließlich bin ich Kollegin. Was mir Spaß macht, kann ich mir leisten. Ich bin gesund. Alles, was ich erreichen konnte, habe ich erreicht. Ich wüsste nichts, was mir fehlt. Ich habe es geschafft. Mir geht es gut.“ Und dann steht nur noch das Wort: Ende.

Dieses Leben ist im wahrsten Sinne zu Ende. Nichts mehr zu erwarten. Es läuft alles auf einer langweiligen, mittelmäßigen Temperatur. So hätte es den Jüngern Jesu auch gehen können. Sie wären wieder in ihren Beruf zurückgekehrt, hätten ihr Auskommen gehabt, sicher mit manchen Misserfolgen, aber das gehört zum Leben. Sie hätten täglich ihre Arbeit verrichtet und wären alt geworden und dann gestorben. Ende. All die Hoffnungen, die Jesus ihn ihnen geschürt hatte, nach einem anderen Leben, nach einem anderen Leben auch für andere, all das wäre zu Ende gewesen. Dagegen hätten sie sich, wie die Frau in dieser Novelle, abgeschottet.
Aus diesem Dilemma hat die Szene hier am Ufer sie herausgeholt.

Wie dieses andere Leben aussah, davon erzählte die gehörte Lesung. Hier finden wir die Jünger Jesu keineswegs bei ihren alten Berufen. Wir finden sie in Jerusalem, die Botschaft Jesu verkündend, so unüberhörbar, dass Jesus zum Stadtgespräch wird und die Autoritäten sich genötigt sehen einzugreifen. Sie bestellen die Jünger Jesu vor den Hohen Rat, verhören sie und verbieten ihnen streng, in Jesu Namen zu lehren. Die Antwort von Seiten der Jünger könnte nicht kompromissloser ausfallen: „Petrus und die Apostel antworteten: Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“ Und sie beginnen die Geschichte mit Jesus ganz anders zu deuten: „Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, den ihr ans Holz gehängt und ermordet habt. Ihn hat Gott als Anführer und Retter an seine rechte Seite erhoben, um Israel die Umkehr und Vergebung der Sünden zu schenken.“
Dabei ist auffallend, dass die Jünger zwar das Verbrechen benennen, aber von jeder Strafandrohung oder Rache absehen. Das ist nicht ihr Thema. Ihr Thema ist die Verkündigung des Heilswirkens Jesu.

Die Inhalte der heutigen Botschaft betreffen insofern auch heute noch unser Leben, als es darum geht, die Komfortzonen zu verlassen und ein „Mehr“ des Lebens anzustreben, ein Bekenntnis zur Botschaft Jesu. Es gilt, wie die Jünger, dem Wort Jesu mehr zuzutrauen als unserer Sicht, was möglich oder nicht möglich ist. Dann gilt vielleicht auch das Poem von Marie-Luise Kaschnitz:

Manchmal stehen wir auf. Stehen wir zur Auferstehung auf.
Mitten am Tag. Mit unserem lebendigen Haar.
Mit unserer atmenden Haut.
(FN)