Ist Familie heute noch unser Zuhause?

„Angedacht“ vom 3. Januar 2025

Ist Familie heute noch unser Zuhause?

Am letzten Sonntag war der „Tag der Heiligen Familie“.

Vater, Mutter, Kind…so spielen Kinder Familie. Ein Spiel, das nie aus der Mode kommt, obwohl viele Familien heutzutage ganz und gar nicht mehr der Norm entsprechen. Auch die Konstellation in der Familie Jesu damals war außergewöhnlich. Hier war Gott der Vater und Josef „nur“ der Ziehvater von Jesus. Jesus selbst war Gott und Mensch zugleich.

Gerade in der Advents- und Weihnachtszeit ist den meisten von uns Familie sehr wichtig. Man besucht sich und man freut sich, alle wiederzusehen. Traditionell sitzt man gemeinsam am Tisch, geht zusammen zur Kirche, gelegentlich wird natürlich auch gestritten. Genau dieses Beisammensein gibt uns ein Gefühl von Zuhause, von Heimat. Das ist einfach nur schön – zu wissen, wohin man gehört.

In unserem hektischen Alltag wissen wir das häufig nicht mehr. Wir hetzen von Termin zu Termin, Arbeitstag und Freizeit sind minutiös durchgetaktet. Übervolle Terminkalender bestimmen unser Leben. In vielen Familien gibt es kaum eine Schnittmenge an Zeit, zu der sich alle einmal gleichzeitig im Haus befinden.

Im Evangelium vom „Tag der Heiligen Familie“ passiert Folgendes: der junge Jesus geht den Eltern verloren. Wem das schon einmal passiert ist, kann gut nachempfinden, welche Sorgen sich Maria und Josef um ihren Sohn gemacht haben müssen. Wie sie ihn sicher verzweifelt überall gesucht haben. Schließlich finden sie ihn im Tempel.

Da sagte er zu ihnen: „Warum habt ihr mich gesucht? Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?“ (Lk 2, 49)

Der kleine Junge Jesus wusste genau, wo sein Zuhause ist. Er hatte seinen Platz im Leben bereits gefunden.

Das können wir von dem Kind Jesus und auch von unseren Kindern lernen. Sie wissen genau, wo sie hingehören. Sie bemerken oft nicht einmal, dass sie in den Augen der Eltern verloren gegangen sind. Sie vertrauen darauf, dass ihre Eltern bei ihnen sind, weil sie wissen, wohin sie gehören.

Ein Bewusstsein, das im Laufe des Erwachsenenlebens immer mehr verschwindet. Vielleicht sehen wir nicht mehr klar genug, worauf es ankommt durch unser Zuviel an Verpflichtungen, vielleicht aber auch durch Enttäuschungen oder durch ein Zuviel an Materialismus. Durch die Überfülle geht unsere Entscheidungsfreude verloren, die wir als Kinder noch hatten.

Vollführen wir doch einmal einen Rollentausch und lernen von den Kindern. Besinnen wir uns zurück auf unseren wirklichen Platz im Leben.

 

Manuela Paflitschek

Angedacht 15.11.2024
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Angedacht 15.11.2024

Ein bisschen so wie Martin möcht‘ ich manchmal sein, und ich will an andere denken, ihnen auch mal etwas schenken. Nur ein bisschen klitzeklein möcht‘ ich wie St. Martin sein.
Mit diesen Worten beginnt ein bekanntes Martinslied.
Am vergangenen Montag war der Gedenktag des Heiligen Martinus, dem Parton unserer katholischen St. Martinus Kirche.

Martinus war, so wie ihm familiär vorbestimmt war, Soldat.
Nach der bekannten Szene der Mantelteilung, erschien ihm Jesus im Traum mit dem halben Mantel.
Das brachte Martinus dazu sich für einen anderen Lebensweg zu entscheiden.
Die Mantelteillung ist die wohl bekannteste Geschichte aus dem Leben des Heiligen. Doch der Heilige Martinus hat noch sehr viel mehr getan.
Es werden ihm Wunderheilungen und Wundertaten zugeschrieben.
Unfreiwillig wurde er Bischof von Tours und er unternahm viele Missionsreisen.

Ein bisschen so wie Martin möcht‘ ich manchmal sein
Die Lebensgeschichte des Heiligen Martin ist für mich auch heute noch wegweisend. Martin verkörpert das Gegenteil von dem was sich in unserer hektischen Zeit heute abspielt. Jeder ist so sehr mit sich selbst beschäftigt, mit den ach so drängenden Terminen und Verpflichtungen, dass er den anderen Menschen neben sich, der vielleicht Hilfe benötigt nicht sieht und oft nicht wahrnimmt.
Der Heilige Martinus hat das wenige das er besessen hat mit den Ärmeren und Schwächeren geteilt.
Er hat im Stillen agiert und sich nie in den Vordergrund gestellt.

Doch was bedeutet das Heute?
Ein bisschen so wie Martin möcht‘ ich manchmal sein
Eigentlich ist es ganz einfach, ein bisschen so wie „Martin“ zu sein.
Teilen kann man auf sehr unterschiedliche Art. Viele Menschen sind allein, einsam oder fühlen sich ausgeschlossen weil sie ärmer sind als Andere. Diese Menschen bewusst wahrnehmen, ihnen zuzuhören und zu helfen, kann man in dem ihnen etwas Zeit schenkt, Zeit von der eigenen Freiheit schenkt um mit ihnen zu reden und Zeit zu verbringen.

Ein bisschen so wie Martin möcht‘ ich manchmal sein
Heißt für mich ganz konkret, einen Teil meiner Freizeit für diejenigen zu geben die es im Leben nicht so einfach haben, aus ganz unterschiedlichen Gründen und gezwungen sind in der Tafel einzukaufen.

Ein bisschen so wie Martin möcht‘ ich manchmal sein
In der Nachfolge des Heiligen Martinus, weiterhin in der Kirchengemeinde in seinem Sinne zu agieren um seinem Vorbild nachzufolgen.

Ein bisschen so wie Martin möcht‘ ich manchmal sein, und ich will an andere denken, ihnen auch maletwas schenken. Nur ein bisschen klitzeklein möcht‘ ich wie St. Martin sein.

Jacqueline Avagliano
Mitglied im Kirchengemeinderat von St. Martinus

Jugend von heute – besser als ihr Ruf?

Jugend von heute – besser als ihr Ruf?

„Keiner von uns ist einzig für sich auf der Welt, er ist auch für alle anderen da.“
(Gregor von Nazianz, um 320-390)

Sicherlich hat jeder von uns zumindest innerlich schon mal über die Jugend von heute gestöhnt. Früher war alles anders oder gar besser.

Heute möchte ich meine Erfahrung der letzten Woche mit Ihnen teilen. Ich war fünf Tage mit Sternsingern von Haus zu Haus unterwegs und bin tief beeindruckt von dem sozialen Engagement unserer Kinder und Jugendlichen. Das soll die Generation sein, die ihre Zeit hauptsächlich mit Handys, Computern und Fernsehen verbringt? Dem möchte ich energisch widersprechen. Ohne zu murren trafen alle jeden Tag pünktlich ein, um sich Königsgewänder anzuziehen, was übrigens ab einem gewissen Alter auch recht peinlich sein kann und gingen in kleinen Gruppen los, um Kornwestheimer Haushalten den Segen zu bringen und Spenden für notleidende Kinder in aller Welt zu sammeln.

Wann habe ich persönlich das letzte Mal fünf Urlaubstage am Stück „geopfert“, um karitativ tätig zu sein? Wenn ich ganz ehrlich bin, noch nie. Immerhin waren Ferien, der Urlaub der Schüler. Die Zeit, die eigentlich zum Faulenzen einlädt, um auszuschlafen und um die Weihnachtsgeschenke zu bespielen.

Aber nicht so unsere Sternsinger. Sie liefen die meisten Strecken zu Fuß, besuchten Familien und alleinstehende Menschen, gingen in alle Seniorenresidenzen der Stadt. Manchmal froren sie, weil ein strenger Wind wehte, sie wurden nass, weil es nieselte, dann wieder schwitzten sie wegen der warmen Klamotten in beheizten Wohnzimmern. Sie standen vor verschlossenen Türen, weil die Leute nicht mit ihnen rechneten, waren sie doch in Coronazeiten nicht unterwegs. Aber meistens wurden sie freudig begrüßt und es wurde auch mal eine Träne der Rührung vergossen, wenn die Kinder sangen „Am Himmel strahlt ein Stern“.

Und sie taten das aus einer Motivation heraus. Sie wollten Kindern in Indonesien und weltweit ein besseres Leben ermöglichen. In diesem Jahr war das Motto Kinder stärken – Kinder schützen. Es ging um Kinderrechte. Nach der Aktion habe ich mir vorgenommen, Kinder zu unterstützen, diese Rechte auch einzufordern.

Natürlich könnte man jetzt sagen, dass 33 Kinder nicht repräsentativ sind. Aber trotzdem: das ist für mich gelebte Nächstenliebe und gelebter Glaube. Etwas für andere tun und dafür die eigene Bequemlichkeit für ein paar Stunden am Tag aufgeben. Auf diese Jugend kann man wirklich stolz sein.

Manuela Paflitschek, Pastorale Mitarbeiterin

Gott mit allen Sinnen erfahren

Gott mit allen Sinnen erfahren

Letzte Woche habe ich mich, genauso wie viele Millionen Menschen weltweit am Nachmittag, mit einer Packung Taschentücher bewaffnet, vor den Fernseher gesetzt, um die Trauerfeier für die verstorbene Queen Elizabeth anzusehen. Die moderne Zeit machte es mir sogar möglich, dass ich via Social Media den Ablauf des Gottesdienstes mitlesen konnte. Denn obwohl ich glaube, recht gut Englisch zu sprechen, war dieser doch hilfreich, um der ganzen Feier inhaltlich zu folgen.
Ich bin mir sicher, ohne diese Textblatt wäre mir folgende Stelle gar nicht aufgefallen: „Kostet und seht, wie gut der HERR ist! Selig der Mensch, der zu ihm sich flüchtet!“ (Psalm 34,9) gesungen als Hymnus. Interessant, dass ausgerechnet dieser Psalm gewählt wurde. Was ist eigentlich seine Bedeutung? Kann ich ihn auf mein Leben im Heute anwenden? Ich soll alle meine Sinne einsetzen, um wahrzunehmen, was Gott alles Gutes tut, was er uns geschenkt hat?
Darauf habe ich mich dann gerne in den letzten Tagen einmal eingelassen. Ich habe zum Glück, wie man so schön sagt, meine fünf Sinne beisammen, auch wenn vielleicht das Sehen ohne Brille etwas beeinträchtigt, aber nicht unmöglich wäre.
Das Experiment würde mir gerade jetzt sicher leichtfallen, ist der Herbst doch meine liebste Jahreszeit und bietet eine Fülle an Gottes Geschenken.
Ich spürte den Regen auf meinem Gesicht, wenn ich aus dem geöffneten Fenster schaute. Ich sah, wie sich die vom Sommer verbrannte Erde erholte und wieder grün wurde, und ich sah auch, wie die Blätter sich langsam anfingen zu verfärben und die Welt bunter erscheinen ließen. Ich roch die frische, nebelfeuchte Luft am Morgen, wenn ich mich auf den Weg zur Arbeit machte. Ich hörte den stürmischen Wind um unsere Hausecke wehen und an unseren Rollläden rütteln. Ich schmeckte in meinem Essen, dass ich täglich auf den Tisch bekam, die Ernte dieses Jahres.
Das hat Gott uns als Geschenk gegeben. Während ich mich auf die Natur um mich herum konzentrierte, fühlte ich mich Gott ganz besonders nahe. „Selig der Mensch, der sich zu ihm flüchtet“ Ja, dem kann ich nur zustimmen.
Ich will es nicht nur bei einem Versuch belassen, sondern will weiter Augen und Ohren, Nase und Mund, aber auch meine Haut offenhalten für die Schöpfung, das große Geschenk an uns Menschen und zum Dank dafür alles mir mögliche tun, sie zu bewahren, damit auch unsere Kinder „kosten und sehen, wir gut der Herr ist!“

Manuela Paflitschek, Pastorale Mitarbeiterin

Angedacht für Freitag 8. Juli 2022

Jesus sagte zu ihr: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt, und jeder, der lebt und an mich glaubt, wird auf ewig nicht sterben. Glaubst du das? (Joh. 11, 25-26)

Vor einigen Tagen fand ich einen Brief in meiner Post mit dem Stempel eines Krankenhauses. Meine Adresse war handschriftlich auf dem Umschlag. Hatte ich etwa noch eine offene Rechnung? Vor einigen Monaten verbrachte ich eine Woche fast Tag und Nacht auf der Palliativstation, um einen lieben Menschen beim Sterben zu begleiten.

Es war aber keine Rechnung, sondern eine Einladung zu einer Andacht zum Gedenken an die Verstorbenen.

Sie trug den Titel: „Den Tod mit ins Leben nehmen“ und ein Bild mit vielen Steinen im Gras. Ich folgte dieser Einladung gern. Vielleicht gibt es dort etwas, dass ich für die Trauerbewältigung mitnehmen kann.

Was haben denn nun Steine mit dem Verlust zu tun oder noch interessanter mit Leben, fragte ich mich. Etwas weniger Lebendiges als einen Stein konnte ich mir nicht vorstellen.

Ist es der Stein, der einem da auf dem Herzen liegt? Oder der steinige Weg, den man gehen muss? Jemand ist kalt wie ein Stein.

Aber kann man einen Stein nicht auch positiv sehen?

Ein Haus aus Stein schützt uns vor Kälte, bildlich fällt uns ein Stein vom Herzen, wir sprechen vom Fels in der Brandung, selbst Jesu Grab war mit einem schweren Stein verschlossen und somit vor äußeren Einflüssen geschützt.

Das erste Mal wieder in das Krankenhaus zu gehen, kostete mich schon Überwindung. Da saß ich nun in der Kapelle des Krankenhauses und sah die Bronzetafel über dem Altar. „Ich bin das Leben“. Im ganzen Raum waren Steine verteilt. Jeder war anders, sie unterschieden sich in Größe und Farbe, Form und, wie uns gesagt wurde, in der Herkunft. So wie wir Menschen auch. Die Steine hat die Zeit geformt und geprägt, wie uns Menschen auch. So muss ich meine anfängliche Ansicht über die Steine zurücknehmen, sie haben doch ganz viel Lebendiges an sich. Und sie bestehen für die Ewigkeit, vielleicht ändern sie ihre Erscheinung, aber ganz weg sind sie nie.

Wir Christen glauben an die Auferstehung und an das ewige Leben, dann können wir sicher sein, dass unsere verstorbenen Lieben nie ganz weg sind, auch wenn sie vielleicht nicht mehr greifbar sind, so wie ein Stein sich mit der Zeit in Sand verwandelt, kein Fels mehr zwar, aber immer noch da. Mit diesem schönen Gedanken kann ich „den Tod mit ins Leben nehmen.“

Manuela Paflitschek, Pastorale Mitarbeiterin

Angedacht für Freitag 20. Mai 2022

Es ist keine Frage, der Ukrainekrieg hat bestimmte Konstanten unserer Gesellschaft in Frage gestellt. Sollen wir Waffen liefern oder nicht? Gefährden wir uns dadurch selbst? Müssen wir aufgrund von Lieferschwierigkeiten von Gas und Öl Einschränkungen in Kauf nehmen?
Wesentliche Grundkonstanten unserer Gesellschaft könnte man so umschreiben, als dass sich unser Leben wie in einem isolierten Glaskolben abspielt. Der Staat, Versicherungen, Jobbörsen sorgen dafür, dass unser gefährdetes Leben, – da Leben immer gefährdet ist, in Sicherheit ungefährdet ablaufen kann. Im Gegensatz zu Lebensläufen in anderen Ländern, jetzt auch in der Ukraine, wo Menschen um ihr Leben kämpfen müssen, können wir sogar mit vorausschauender Logik unser Leben in Sicherheit gestalten. Dies ist an sich wünschenswert und Ziel von politischen und sozialen Maßnahmen. Dabei haben wir allerdings auch ein stückweit das Gespür für jene Sinnerfahrung verloren, die sich aus dem Kampf um Leben, Überleben ergibt. Wir wissen zudem, dass diese unsere Sicherheit mit viel Unrecht erkauft wurde, wenn wir die ungleichen Wirtschaftsverhältnis, die Vergewaltigung der Natur und der Schöpfung miteinbeziehen. Dieses Wissen wirft uns allerdings nicht allzu sehr aus der Bahn, aus unserer Gemütlichkeit. Dadurch, dass die Staatsmacht die ökonomischen Herausforderungen, oft durch populistische Geschenke, mildert, erhöht sich das Gefühl der eigenen Sicherheit.
Dies alles hat der Ukrainekrieg, – was andere Kriege, z.B. der Irakkrieg, weniger vermochten, zerstört oder wenigstens in Frage gestellt. Dass eine europäische Regierung zu einer faschistischen Verbrecherregierung mutieren könnte, dass ein Patriarch, einer der größten Teilkirchen der Orthodoxie, sich einer Verbrecherregierung andient und die Botschaft Jesu zutiefst verrät, war einfach nicht vorgesehen. Dass wir selbst, durch Waffenlieferungen gefährdet, in den Krieg miteinbezogen werden könnten, das verursacht in vielen ein mulmiges Angstgefühl, da solche Entscheidungen plötzlich existentielle Konsequenzen haben könnten.
In der Theologie wird in diesem Zusammenhang plötzlich wieder über Vulnerabilität, Verwundbarkeit gesprochen. Ist es oft nicht so, dass im Kleinen, wie im Großen Risiken eingegangen werden müssen, damit Leben gelingt, damit ein mehr an Leben gelingt, nicht nur für uns selbst, auch für unsere Mitmenschen? Sinnerfülltes Leben, wie es das Motto des Katholikentags in Stuttgart „leben teilen“ gut benennt, gelingt nur, wenn wir uns füreinander verwundbar machen. Wer also in diesem Szenario des Ukrainekrieges bereit ist, wie auch immer einzugreifen, – diese Solidarität ist absolut gefordert, der muss auch die Bereitschaft zur Verwundbarkeit aufbringen. Die Bibel ist voll von Begebenheit, in denen sich Menschen verwundbar machten und gerade dadurch Leben ermöglichten. Der Tod Jesu, die Traumata der Jünger danach, haben nicht zum definitiven Tod geführt, sondern zum Pfingstereignis, ein Fest auf das wir in einigen Wochen wieder zugehen.

Franz Nagler, Pfarrer

In neun Monaten ist Weihnachten

In neun Monaten ist Weihnachten

Der Engel trat bei ihr ein und sagte: Sei gegrüßt, Du Begnadete, der Herr sei mit Dir (Lk 1, 28)
Auf der Suche nach Inspiration habe ich mir den diesjährigen Fastenkalender vorgenommen. Dabei ist mir aufgefallen, dass in neun Monaten schon Weihnachten ist. Und dass wir heute, mitten in der Fastenzeit, den Tag der Mariä Verkündigung begehen.
Interessant, wie wichtig dieser Tag für die ganze Christenheit ist und wie viele ihn gar nicht „auf dem Schirm haben“ Wenn man uns fragt, welcher der wichtigste Feiertag für uns ist, antworten die meisten: Ostern. Verständlich, denn auf die Auferstehung Jesu basiert unser Glaube.
Aber ohne das Zusammentreffen von Maria und dem Engel, wäre Jesus vielleicht gar nicht auf die Erde gekommen. Dann gäbe es erstmal kein Weihnachten und auch die Fastenzeit wäre nicht nötig, denn wir bräuchten keine Vorbereitung auf das dann nicht vorhandene Ostern.
Was hat sich Maria wohl an dem Tag gedacht? Erschrocken ist sie laut der Bibel schon, aber sie überlegt auch, was das alles zu bedeuten hat. Sie hat die Verkündigung einfach hingenommen ohne sich zu beklagen oder alles zu hinterfragen. Ob sie wohl geahnt hat, welche große Verantwortung ihr Gott übertragen hat, seinen Sohn auszutragen und aufzuziehen?
Auch für uns heutzutage ist es nicht abzusehen, wenn wir das erste Mal Eltern werden, was sich in unserem Leben ändern wird. Aber wir überlassen nichts dem Zufall oder der Vorsehung, sondern wir planen die ersten Lebensjahre unseres Kindes von dem Moment an, in dem wir von ihm erfahren. Es wird eine Hebamme gesucht, Kindergärten angeschaut und die Anmeldung abgegeben, obwohl das Kind noch nicht einmal geboren ist. Wenn es dann da ist, findet es sich in einem liebevoll ausgestatteten Kinderzimmer wieder, es hat genügend Kleidung in mehreren Größen und es ist wirklich alles vorhanden, was es braucht (oder auch nie brauchen wird).
Ganz anders Maria. Sie sagt, ohne groß nachzudenken:
Siehe, ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast. Danach verließ sie der Engel (Lk 1, 38)
Aber zurück zum Anfang: Wenn ich die jetzt das Frühlingserwachen sehe, mit den ersten Blumen und den ersten warmen Tagen, möchte ich eigentlich nicht an Weihnachten denken. Weder an die kalte, dunkle Jahreszeit und den ganzen Stress, den dieses Fest in der Regel mit sich bringt. Ich freue mich jetzt erst einmal auf das Osterfest mit allem was dazu gehört und nehme mir heute bewusst ein paar Minuten Zeit und denke an Maria, für mich eine starke und bewundernswerte Frau.

Manuela Paflitschek, Pastorale Mitarbeiterin

Angedacht für Freitag 21. Januar 2022

Ein Leib und viele Glieder

Bei der Vorbereitung unseres kommenden Familiengottesdienstes haben wir uns im Team mit der Lesung aus dem 1. Korintherbrief beschäftigt. Hier ein Auszug:
„Wären alle zusammen nur e i n Glied, wo bliebe dann der Leib? So aber gibt es viele Glieder und doch nur e i n e n Leib. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Der Kopf wiederum kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich.“ (1. Kor 12, 19-22)
An diese Lesung musste ich wieder denken, als mein Mann und ich in der Schule bei der Klassenlehrerin unserer Tochter saßen und uns beraten ließen, welche Schulart wir nach der 4. Klasse wählen sollten. Wir haben versucht, unvoreingenommen in das Gespräch zu gehen. Dass es leider nicht immer so ist, bestätigte sich dann auch.
Schon am nächsten Tag begann ein reger Austausch unter den Kindern, wer denn nun die begehrte Gymnasialempfehlung bekommen hat. Aber stellen wir uns einmal vor, worauf wir zusteuern würden, wenn alle dieselbe elitäre Schule besuchen würden. Wo blieben dann die scheinbar schwächeren Glieder, die unseren Leib doch vollkommen machen können und auch müssen?
Leider verlangt unsere Leistungsgesellschaft immer nur das Beste, Realschulabschluß scheint nicht mehr erstrebenswert zu sein. Gleichzeitig jammern wir über Fachkräftemangel im Handwerk, in der Pflege und im Handel. Für mich ein Widerspruch in sich.
Leider gibt es eher selten Verkäufer oder Köche mit Abitur, nicht, weil der Beruf weniger anspruchsvoll ist, sondern wahrscheinlich eher, weil er nicht so gut bezahlt wird. Vielen würden diese Tätigkeiten sicher Spaß machen, aber wenn wir 13 Jahre zur Schule gegangen sind, dann muss es sich doch auch „gelohnt“ haben? Diese Einstellung erhöht immer mehr den Leistungsdruck auf unsere Kinder.
Sollten wir nicht akzeptieren, dass wir alle verschieden sind?
Wir sind verschieden begabt und verschieden veranlagt. Ist es nicht gerade die gottgewollte Vielfalt, die unser Leben, den Leib, so bunt macht? Wenn alle das gleiche können und das gleiche denken, wie eintönig wäre diese Welt. Vielleicht sollten wir uns auch alle etwas mehr ausprobieren und sowohl mal unter als auch über unser Niveau schauen. Da finden wir sicherlich noch Dinge, die uns ansprechen und die wie für uns gemacht sind. Für die vermeintlich einfacheren Berufe braucht man ganz andere Begabungen, die vielleicht nichts mit Mathematik und Physik zu tun haben, aber mit Herz, Empathie und Mitgefühl.
Ein Leib und viele Glieder, ein Bibelvers, den wir alle mal wieder lesen sollten.

Manuela Paflitschek, Pastorale Mitarbeiterin