Es zählt nicht in der Welt

Es zählt nicht in der Welt

Es zählt nicht in der Welt, kleiner Chinese,
Dessen Namen ich nicht einmal aussprechen kann,
Und dessen Angesicht mir fremd ist und unbekannt,
Er zählt nicht in der Welt, dein Tod…

Doch fallen fühl ich dich, als fiel ich selbst,
Und nach dem Herzen, wo der kalte Stahl
Deinem Blut den Ausweg schnitt,
Hingreifen vier, hingreifen dein und meine Hände…

Dass Schanghai brennt und lodert,
Und deine Frau stirbt, und dein Kind stirbt,
Und eine zweite Bombe dir den Leib zerfetzt,
Es zählt nicht in der Welt, kleiner Chinese…

Doch in dem Lodern und Brennen von Schanghai
Brennt und lodert das Dorf, in dem ich wohne,
Und stirbt meine Frau und stirbt mein Kind,
Und stürzt mein Haus in Trümmer…
Doch dies alles zählt nicht in der Welt, kleiner Chinese,
Dessen Namen ich nicht einmal aussprechen kann,
Und dessen Angesicht mir fremd ist und unbekannt,
Er zählt nicht in der Welt, dein Tod…

Marnix Van Gavere

Der unscheinbare Bruder

Der unscheinbare Bruder

Sechs von sieben Brüdern gingen auf die Arbeit. Der siebte besorgte den Haushalt. Wenn die sechs Brüder müde von der Arbeit nach Hause kamen, fanden sie das Haus geordnet, das Essen bereit und alles in bester Ordnung. Darüber freuten sie sich und lobten den siebten Bruder.
Aber einer der Brüder wollte klüger sein als die anderen. Er nannte den siebten Bruder einen Faulenzer und Tagedieb, der auch mit zur Arbeit gehen und sein Brot verdienen sollte. Dieses böse Wort fand leider bei den anderen Gehör. Sie beschlossen einmütig, dass ihr siebter Bruder nicht länger seines bisherigen Amtes walten sollte. Sie nötigten ihn, auch am frühen Morgen mit auf die Arbeit zu gehen.
Und dann machten die sieben Brüder eine überraschende Erfahrung. Als sie müde und abgespannt am Abend von der Arbeit nach Hause kamen: Kein heller freundlicher Lichtschein winkte ihnen entgegen. Keine fürsorgende Hand hatte das Hauswesen geordnet. Kein Tisch war gedeckt. Kein Bruder stand an der Tür und empfing sie mit einem herzlichen Wort.
Und jetzt erst merkten sie, wie dumm sie gehandelt hatten, als sie ihren siebten Bruder seines stillen Dienstes enthoben hatten. Sie fühlten sich, weil es ihre eigene Schuld war, doppelt elend und verlassen. Dann beschlossen sie, den siebten Bruder wieder in sein Amt einzusetzen.
Das verlorene Glück der sieben Brüder kehrte mit seinem heimlichen Segen zu ihnen zurück. Sie lebten miteinander einträchtig und in Frieden.

(Märchen der Gebrüder Grimm)

 

Im Anfang – Du

Im Anfang – Du

Im Anfang
bist du
ewiges, verborgenes Geheimnis
schöpferisch Liebende
in deiner Sehnsucht
deinem Wort
Ich will, dass du bist
Im Anfang
bin ich
gewollt und geliebt
geschaffen in der Erde Tiefe
beatmet von deiner Zärtlichkeit
Staunenswert
Du
in deinem beständigen Wirken
aus Liebe
in den vielfältigen Spuren
deiner Schöpfung
und Ich – dein Ebenbild

hineingesetzt
in deine Welt, in das Leben
beschenkt und begabt
mit Augen, damit sie wahrnehmen
die Schönheit der Schöpfung
und ihre Verletzlichkeit
mit Ohren, damit sie hören
die stille Hoffnung
und die Not der Geschöpfe
mit einem Herzen, damit ich fühle
dein schweigendes Dasein
und das Leben,
das gestaltet werden will
durch mein Mit-wirken
in Verantwortung und Solidarität
Im Anfang – Du
in der Sehnsucht deiner Liebe
in Allem

(Inspiriert vom Hungertuch zu Genesis 2,7-9)

Teelöffel voller Sand dazutun

Teelöffel voller Sand dazutun

Ich glaube ganz ehrlich, dass die Zukunft aus
Millionen Kleinigkeiten besteht, die uns retten werden.
Ich stelle mir eine große Wippe vor und am Ende dieser
Wippe hängt ein halbvoller Korb mit Steinen drin.
Das andere Ende der Wippe ist hoch in der Luft.
Dort hängt ein zu einem Viertel gefüllter Korb mit Sand.
Und einige von uns haben einen Teelöffel in der Hand
und versuchen, den Sand im Korb aufzufüllen.
Viele Leute lachen uns aus und sagen:
„Ach, Leute wie ihr versuchen das seit Tausenden von Jahren
und der Sand läuft ebenso schnell wieder raus, wie ihr ihn rein tut.“
Aber wir sagen: „Wir Leute mit Teelöffeln in der Hand werden immer mehr.“
Und wir denken: „In ein paar Jahren werdet ihr sehen,
dass die ganze Wippe, zupp, in eine andere Richtung geht.“
Und die Leute werden sagen: „Himmel, wie ist das so plötzlich passiert?“
Wir und alle unsere kleinen Teelöffel.
Stimmt allerdings, wir müssen weiterhin Sand einfüllen,
denn, wenn wir nicht weiterhin Teelöffel voller Sand dazutun,
wird er auslaufen und die Steine werden wieder nach unten sausen.
Wer weiß?

(Peter Seeger)

Die Spur des Menschen

Die Spur des Menschen

Die Spur des Menschen – wo beginnt sie?
Woher kommen wir? Wohin gehen wir?
Die Spur des Menschen
Ist DEINE Spur in der Welt.
Du legst sie für uns und begleitest uns,
durchwanderst mit uns Geschichte und Leben
und bleibst doch verhüllt.
Wir begegnen Dir tausendfach,
ohne Dich zu erkennen,
messen Dich mit menschlichem Maß,
ohne Dich je zu ermessen.

Wie sollen wir Dein Geheimnis ergründen?
Nicht eins unserer Bilder wird Dir gerecht.

Uns ergänzend als Mann und als Frau
glauben wir, Dein Abbild zu sein,
erahnen die Ur-Form, nach der wir gebildet:
vielfältig und einzig zugleich.

Wir fühlen ins uns Deinen göttlichen Funken,
Deinen Geist, der uns hilft,
unser Dasein zu deuten,
der uns führt, der uns treibt, der uns drängt,
Deine Gaben in uns zu entfalten.

Wir folgen tastend der Spur,
die Du für uns legst.
Voll Zuversicht.
Denn sie führt uns zu Dir.

(Gisela Baltes)

Der den Tod auf Hiroshima warf

Der den Tod auf Hiroshima warf

Der den Tod auf Hiroshima warf
Ging ins Kloster, läutet dort die Glocken.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Sprang vom Stuhl in die Schlinge, erwürgte sich.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Fiel in Wahnsinn, wehrt Gespenster ab
Hunderttausend, die ihn angehen nächtlich,
Auferstandene aus Staub für ihn.

Nichts von alledem ist wahr.
Erst vor kurzem sah ich ihn
Im Garten seines Hauses vor der Stadt.
Die Hecken waren noch jung und die Rosenbüsche zierlich.
Das wächst nicht so schnell, dass sich einer verbergen könnte
Im Wald des Vergessens. Gut zu sehen war
Das nackte Vorstadthaus, die junge Frau
Die neben ihm stand im Blumenkleid
Das kleine Mädchen an ihrer Hand
Der Knabe, der auf seinem Rücken saß
Und über seinem Kopf die Peitsche schwang.
Sehr gut erkennbar war er selbst
Vierbeinig auf dem Grasplatz, das Gesicht
Verzerrt von Lachen, weil der Photograph
Hinter der Hecke stand, das Auge der Welt.

Marie Luise Kaschnitz

Höre meine Stimme

Höre meine Stimme

Höre meine Stimme,
denn sie ist die Stimme der Opfer aller Kriege
und der Gewalt zwischen den Menschen und Völkern.

Höre meine Stimme,
denn sie ist die Stimme aller Kinder,
die leiden und leiden werden,
wenn die Völker auf den Krieg und die Waffen vertrauen.

Höre meine Stimme,
wenn ich dich bitte, die Menschen mit
der Weisheit des Friedens,
der Kraft der Gerechtigkeit und
dem Glück der Freundschaft zu erfüllen.

Höre meine Stimme
denn ich spreche für die Menschen aller Länder und Zeiten,
die den Krieg nicht wollen und bereit sind,
den Weg des Friedens zu gehen.

Höre meine Stimme,
und schenke uns die Fähigkeit und die Kraft,
auf Hass immer mit Liebe zu antworten,
auf Ungerechtigkeit mit ganzer Hingabe an die Gerechtigkeit,
auf Not mit unserem eigenen Beitrag,
auf Krieg mit Frieden.

O Gott, höre meine Stimme
und schenke der Welt für immer deinen Frieden.

(Johannes Paul II. in Hiroshima)

Jeder Krieg hinterlässt die Welt schlechter, als er sie vorgefunden hat. Krieg ist ein Versagen der Politik und der Menschheit, eine beschämende Kapitulation, eine Niederlage gegenüber den Mächten des Bösen. Halten wir uns nicht mit theoretischen Diskussionen auf, sondern treten wir in Kontakt mit den Wunden, berühren wir das Fleisch der Verletzten. Schauen wir auf die vielen massakrierten Zivilisten als „Kollateralschäden“. Fragen wir die Opfer. Achten wir auf die Flüchtlinge, auf diejenigen, die unter atomarer Strahlung oder chemischen Angriffen gelitten haben, auf die Frauen, die ihre Kinder verloren haben, auf die Kinder, die verstümmelt oder ihrer Kindheit beraubt wurden. Achten wir auf die Wahrheit dieser Gewaltopfer, betrachten wir die Realität mit ihren Augen und hören wir ihren Berichten mit offenem Herzen zu. Dann können wir den Abgrund des Bösen im Innersten des Krieges sehen, und es wird uns nicht stören, als naiv betrachtet zu werden, weil wir uns für den Frieden entschieden haben.

Papst Franziskus (Fratelli tutti 261)

Warum es keinen Krieg geben kann – ein chinesisches Märchen

Warum es keinen Krieg geben kann – ein chinesisches Märchen

Zwischen zwei Völkern drohte ein Krieg auszubrechen.
Auf beiden Seiten der Grenze lagerten sich die Heere.
Auf beiden Seiten schickten die Feldherrn Kundschafter aus.
Sie sollten herausfinden, wo man am leichtesten in das Nachbarland einfallen könnte.
Beide Kundschafter kehrten zurück und berichteten ihren Feldherren:
Es gibt nur eine einzige Stelle an der Grenze, wo wir in das andere Land einfallen können.
Überall sonst sind hohe Gebirge und tiefe Flüsse.
An dieser Stelle aber, so erzählten sie, hat ein Bauer sein Feld.
Er wohnt dort in einem kleinen Haus mit seiner Frau und mit seinem Kind.
Sie haben sich lieb. Sie sind glücklich.
Ja, es heißt, sie sind die glücklichsten Menschen der Welt.
Wenn wir über das kleine Feld ins Feindesland einmarschieren,
zerstören wir das Glück.
Also, so sagten die Kundschafter, kann es keinen Krieg geben.
Das sahen die Feldherren dann auch wohl oder übel ein,
und der Krieg fand nicht statt – wie jeder Mensch begreifen wird.

In der Bibel gibt es die bezeichnende Stelle:
»Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen und ihre Spieße zu
Sicheln machen. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert
erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen“ (Jesaja 2,4).

Todo cambia

Unsere Freunde aus Argentinien haben oft das folgende Lied gesungen. Hier die deutsche Übersetzung:

Todo cambia

Cambia lo superficial
Es verändert sich das Oberflächliche,
Cambia también lo profundo
Auch das Tiefgründige ändert sich.
Cambia el modo de pensar
Es ändert sich die Art zu denken –
Cambia todo en este mundo
Alles in dieser Welt verändert sich.

Cambia el clima con los años
Es wandelt sich das Klima, mit den Jahren,
Cambia el pastor su rebaño
Der Hirte wechselt seine Herde.
Y así como todo cambia
Und so, wie alles sich verändert,
Que yo cambie no es extraño
Ist es nicht verwunderlich, dass auch ich mich verändere

Ref.: Cambia, todo cambia (4x)
Es ändert sich, alles verändert sich

Cambia el más fino brillante
Es verändert selbst der feinste Brillant
De mano en mano, su brillo
Seinen Glanz, von Hand zu Hand.
Cambia el nido el pajarillo
Es wechselt das Vögelein sein Nest,
Cambia el sentir un amante
Wie ein Geliebter ändert seine Gefühle.

Cambia el rumbo el caminante
Es ändert seinen Kurs der Wanderer
Aunque esto le cause daño
Auch wenn es ihm schadet.
Y así como todo cambia
Und so, wie alles sich verändert,
Que yo cambie no extraño
Ist es nicht verwunderlich, dass auch ich mich verändere
Ref.: Cambia, todo cambia (4x)
Es ändert sich, alles verändert sich

Cambia el sol en su carrera
Die Sonne verändert ihren Stand,
Cuando la noche subsiste
Während die Nacht fortbesteht.
Cambia la planta y se viste
Die Pflanze wechselt ihr Kleid
De verde en la primavera
Trägt frisches Grün im Frühling.

Cambia el pelaje la fiera
Wie das Wildtier wechselt sein Fell,
Cambia el cabello el anciano
Verändert sich das Haar des Greises.
Y así como todo cambia
Und so, wie alles sich verändert,
Que yo cambie no es extraño
Ist es nicht verwunderlich, dass auch ich mich verändere
Ref.: Cambia, todo cambia (4x)
Es ändert sich, alles verändert sich

Pero no cambia mi amor
Was sich nicht ändert, ist meine Liebe,
Por más lejos que me encuentre
Wie fern auch immer ich sein mag,
Ni el recuerdo ni el dolor
Und nicht das Andenken, und nicht der Schmerz
De mi pueblo y de mi gente
Den ich mit meinem Volk, meinen Leuten empfinde.

Lo que cambió ayer
Was sich gestern geändert hat,
Tendrá que cambiar mañana
Wird sich auch morgen ändern müssen.
Así como cambio yo
So wie ich mich verändere,
En esta tierra lejana
In diesem fernen Land.

Ref.: Cambia, todo cambia (4x)

Pero no cambia mi amor
Was sich nicht ändert, ist meine Liebe,
Por más lejos que me encuentre
Wie fern auch immer ich sein mag,
Ni el recuerdo ni el dolor
Und nicht das Andenken, und nicht der Schmerz
De mi pueblo y de mi gente
Den ich mit meinem Volk, meinen Leuten empfinde.

Lo que cambió ayer
Was sich gestern geändert hat,
Tendrá que cambiar mañana
Wird sich auch morgen ändern müssen.
Así como cambio yo
So wie ich mich verändere,
En esta tierra lejana
In diesem fernen Land.

Ref.: Cambia, todo cambia… (4x)

Ich setze auf die Liebe

Wen der Himmel retten will, dem schenkt er die Liebe
Ich setze auf die Liebe,
wenn Sturm mich in die Knie zwingt
und Angst in meinen Schläfen buchstabiert,
ein dunkler Abend mir die Sinne trübt,
ein junger Mensch den Kopf verliert,
ein alter Mann den Abschied übt.
Das ist doch das Thema
den Hass aus der Welt zu entfernen
und wir bereit sind, zu lernen,
dass Macht, Gewalt, Rache und sogar Sieg
nichts anderes bedeutet als ewiger Krieg
auf Erden und dann auf den Sternen.

Die einen sagen, es läge am Geld – gut das ist sicher nicht ganz falsch,
die anderen sagen, es wäre die Welt,
sie läge in den falschen Händen – da ist auch manches richtig dran,
aber jeder weiß es immer besser, woran es liegt,
doch es hat noch niemand
noch niemand
den Hass besiegt
ohne ihn selbst zu beenden.

Er kann mir sagen, was er will,
und kann mir singen, wie er’s meint,
und mir erklären, was er muss,
und auch begründen, wie er’s braucht:

Ich setze auf die Liebe!
Schluss.

Text: Hanns Dieter Hüsch