GEDANKEN ZU LK 5,1-11

GEDANKEN ZU LK 5,1-11

Simon Petrus, der Menschenfischer

In jener Zeit, als die Volksmenge Jesus bedrängte und das Wort Gottes hören wollte, da stand er am See Genezareth und sah zwei Boote am See liegen. Die Fischer waren aus ihnen ausgestiegen und wuschen ihre Netze. Jesus stieg in eines der Boote, das dem Simon gehörte, und bat ihn, ein Stück weit vom Land wegzufahren. Dann setzte er sich und lehrte das Volk vom Boot aus. Als er seine Rede beendet hatte, sagte er zu Simon: „Fahr hinaus, wo es tief ist, und werft eure Netze zum Fang aus!" Simon antwortete ihm: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen. Doch auf dein Wort hin werde ich die Netze auswerfen." Das taten sie und sie fingen eine große Menge Fische; ihre Netze aber drohten zu reißen. Und sie gaben ihren Gefährten im anderen Boot ein Zeichen, sie sollten kommen und ihnen helfen. Sie kamen und füllten beide Boote, sodass sie fast versanken. Als Simon Petrus das sah, fiel er Jesus zu Füßen und sagte: „Geh weg von mir; denn ich bin ein sündiger Mensch, Herr!  Denn Schrecken hatte ihn und alle seine Begleiter ergriffen über den Fang der Fische, den sie gemacht hatten; ebenso auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, die mit Simon zusammenarbeiteten. Da sagte Jesus zu Simon: „Fürchte dich nicht! Von jetzt an wirst du Menschen fangen. Und sie zogen die Boote an Land, verließen alles und folgten ihm nach.

Liebe Mitchristen! Die meisten von uns kennen die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln. Er konnte toll Flöte spielen und hat damit die Bürger von Hameln von der Plage der Mäuse und Ratten befreit. Denn durch seine wundersamen Melodien wurden sie aus ihren Löchern und Verstecken herausgelockt. Sie liefen hinter dem Mann her und er führte sie geradewegs ins Verderben. Aber die Bürger von Hameln waren undankbar. Sie bezahlten dem Mann nicht den Lohn, den sie zuvor versprochen hatten. Deshalb rächte er sich an ihnen: eines Tages spielte er eine neue, noch wundersamere Melodie. Und diesmal zogen nicht Mäuse und Ratten hinter ihm her, sondern die Kinder der ganzen Stadt. So sehr verzauberte er sie durch sein Flötenspiel, dass niemand sie aufhalten konnte. Am Ende waren sie alle für immer im dunklen Berg verschwunden. Soweit die Legende. Es wird diesen Rattenfänger wohl nicht in echt gegeben haben. Aber das Wort “Rattenfänger“ gebraucht man noch heute für Menschen, die andere hereinlegen durch tolle Reden, durch Werbegags und Tricks. Bei dem einen können Sie für viel Geld alles über Ihre Zukunft erfahren. Der andere bietet Ihnen einen Stein an, der Ihnen beständige Gesundheit garantiert. Der dritte lässt sich kaum mehr von der Haustür vertreiben, ehe Sie nicht seine Zeitschrift abonniert haben. Der vierte verspricht Ihnen einen riesigen Gewinn, wenn Sie bei ihm Ihr Geld anlegen. Beim fünften haben Sie, ja Sie persönlich, angeblich schon einen sagenhaften Hauptgewinn gemacht. Ich denke, jeder
von uns könnte weitere Beispiele erzählen, wie heute allenthalben versucht wird, mit Werbung, mit List, mit Betrug den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen: “Rattenfänger!“ eben.

Liebe Mitchristen! Da begegnet uns heute im Evangelium ein anderer Begriff, der auf den ersten Blick eine gewisse Ähnlichkeit hat mit dem negativen Rattenfänger. Denn Jesus sagt zu Petrus: Von jetzt an sollst du Menschenfische sein. – „Menschenfischer! Menschen fangen“ Was heißt das? Sollen auch hier die Menschen gefangen werden? Sollen sie ihre Würde, ihre Freiheit, ihr Leben verlieren? Keiner geht einem andern gerne ins Netz. Menschenfischer, dieses Wort klingt ein wenig wie Rattenfänger. Aber ich darf Sie beruhigen: So hat Jesus das Wort vom Menschenfang nicht gemeint. Und er meint damit nicht, dass wir gefangen werden sollen im Netz, nicht, dass wir hereingelegt werden, nicht dass wir ausgenommen und vermarktet werden sollen. Nicht Gefangenschaft in den Maschen der Gesetze und Vorschriften und Gebote ist damit gemeint, sondern Rettung. Herausgefischt werden sollen wir aus den Fluten, herausgezogen aus dem Strudel, der uns für immer hinabziehen könnte ins Dunkel. Heraus aus der Hetze, aus der Gewinnsucht, herausgeholt aus einer Welt der Rache, der Sünde, der Lieblosigkeit, damit wir atmen können in Gottes Licht und Freiheit. Dazu braucht Jesus den Menschenfischer Petrus und seine Freunde und ihre Nachfolger. Das ist die Aufgabe der Kirche bis zum heutigen Tag: Menschen fangen, Menschen für Gott gewinnen.

Die Kirche im Großen, aber genauso jede einzelne Pfarrgemeinde, ja jeder einzelne Christ muss etwas Gewinnendes an sich haben, damit man ihm vertrauen kann und weiß: von dem werde ich nicht übers Ohr gehauen. Dieses Vertrauen stand ja schon am Anfang, als Petrus noch Fischer auf dem See Genezareth war. Wir haben es vorhin im Evangelium gehört und wir können es uns recht gut vorstellen. Zuerst dieser Frust, als sich die Fischer die ganze Nacht über abgerackert haben: Netze auswerfen, Netze einholen, immer wieder. Und nichts, aber schon gar nichts haben sie gefangen. Umsonst haben sie gearbeitet. Mit leeren Händen stehen sie da. Ihre Existenz ist bedroht, denn sie haben nichts zu verkaufen. Und dann spricht sie Jesus an und zeigt ihnen: Ihr selbst seid gefragt, auch mit leeren Netzen, auch mit leeren Händen. Er macht den Fischern Mut, dass da einer ist, der sie braucht, der nicht als Erstes fragt: Was bringt ihr mit, was habt ihr zu bieten? Jesus vertraut ihnen, und sie können Jesus vertrauen. Da sind ja viele, die an diesem Tag Jesus zugehört haben. Das Volk drängte sich um ihn, heißt es bei Lukas. Aber Jesus spricht gerade diese Fischer an, die nur zufällig in der Nähe ihre Netze waschen. Petrus fährt mit seinem Boot nochmals hinaus zum Fischen, obwohl er es eigentlich besser weiß, dass man am Tag keine Fische fängt und macht einen großen Fang. Und sie spüren die Faszination, die Kraft seiner einladenden Worte. Sie haben die ungemeine Wichtigkeit dieses Menschen erkannt und sind ihm gefolgt, weil sie überzeugt waren: auf den können wir uns verlassen. Der weiß den Weg, der weiß den Ausweg aus aller Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit, aus allem Frust des menschlichen Daseins. Von einer solchen Ahnung getrieben, aufgrund eines solchen Vertrauens, das Jesus ausgestrahlt hat, auf sein Wort hin können sie es sich leisten alles liegen und stehen zu lassen: ihre Boote, ihre Netze, ihre Kollegen. Auf sein Wort hin können sie getrost ihre Sicherheit, ihren Beruf, ihre wirtschaftliche Existenz aufgeben. Ihre neue Aufgabe wird es nun sein, die Menschen zu fischen, die Menschen zu Gott hinzuführen, dorthin, wo sie den Sinn und das Ziel ihres Lebens finden.

Liebe Mitchristen! Wem wird sich unsere Welt heute anvertrauen? Wir haben viele Rattenfänger. Nicht in der Unsicherheit der Nacht hat Petrus seinen reichen Fischfang machen dürfen. Nicht im Trüben sollte er fischen müssen, sondern in der Helle und Klarheit des Tages soll er die Menschen für Gott gewinnen. Eindeutig, ehrlich und vertrauenswürdig muss die Kirche auch in unseren Tagen bleiben. Jeder kann und muss dazu beitragen, der Bischof und der Gemeindechrist, die Frau, der Mann, die Jugendlichen in der Kirche, der Papst und der Pfarrer. Jeder kann undmuss dazu beitragen, dass weiterhin von guten Menschenfischern möglichst viele gerettet und für Gott gewonnen werden, damit nicht durch irgendwelche Rattenfänger in unserer Welt, von denen es sehr viele in Politik und Gesellschaft gibt, gläubige Menschen flöten gehen.

Amen

Franz A. Scheuermann

 

Gedanken zu MK 22,15-21

„Nicht so bei euch“

 

»Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und ihre Großen, ihre Macht gegen sie gebrauchen.« (Mk 22,15-21)

Dieser Satz Jesu, an seine Jünger gerichtet, ist bis heute… leider… aktuell.

Dennoch: “Macht“ kommt von »machen«.

Sie ist im eigentlichen Sinn nicht schlecht, – eigentlich sogar gut. Denn: Wer Macht hat, »macht« Gutes für das Gemeinwohl – zumindest dürfen wir das erwarten.

Dann ist sie eine positive, gestalterische und schützende Kraft. Doch leider wird Macht zu oft als negative, zerstörerische Energie missbraucht. Jetzt kippt sie in Gewalt!

Abraham Lincoln wird das Zitat zugeschrieben: »Wenn Du einen Menschen kennenlernen willst, dann gib ihm Macht.« Die Erfahrung, dass die Mächtigen ihre Macht missbrauchen, beschränkt sich nicht auf die biblische Zeit. Sie ist, bis in unsere Tage hinein, traurige Realität.

Unter diesen Vorzeichen werden Kriege vom Zaun gebrochen. Es wird Gewalt ausgeübt mit Ideologien, Gesetzen und Worten. Menschen erleben Leid und Not oder werden zur Flucht gezwungen und verlieren Hab und Gut. Es scheint wie ein Naturgesetz zu sein: Macht und Herrschaft werden zum Schaden anderer missbraucht.


»Nicht so bei euch!«
So sagt es Jesus im Markusevangelium.

Nicht so bei euch! Eine Feststellung?
Oder doch mehr ein weit in die Zukunft gerichteter Wunsch aus dem Munde Jesu?

Die Frage nach einem angemessenen Umgang mit Macht war auch in den christlichen Gemeinden der Anfangszeit ein Thema. Gerangel um gute Plätze auf den vorderen Rängen im Reich Gottes gab es auch unter den Jüngern.

Mehrmals sprechen die Evangelien davon, dass es Streit um Rangordnungen gab, dass hinter den Kulissen manch kleiner Machtkampf um die besten Plätze an der Seite Jesu ausgetragen wurde.

Ganz menschlich ging es da zu. Und es ist eigentlich auch nachvollziehbar. Denn Jesus war mit seiner Botschaft für viele anziehend.

Die Menschen sind ihm, in den Anfängen, in Scharen gefolgt. Die Jüngerinnen und Jünger haben wohl auch das Erfüllende wahrgenommen, das von Jesu und seiner Botschaft ausging.

Sie haben gespürt, dass es sich lohnt, zum näheren Umkreis eines Menschen gezählt zu werden, der sogar Macht über die bösen Geister hat.

»Lass in deinem Reich einen von uns rechts – und den anderen links – neben dir sitzen.« So betreiben die beiden Zebedäussöhne ganz offen Lobbyismus in eigener Sache.

Sie offenbaren damit, dass sie nicht in der großen Zahl der Anhänger Jesu untergehen wollen, dass auch sie gegen die alten Kämpfe der Menschheit – um den ersten Platz, das Rangeln um die Rangordnung, nicht immun sind.

Jakobus und Johannes gehörten mit zu den Ersten, die mit Jesus unterwegs waren. „Das muss doch was wert sein“, denken sie.

Auf dem Weg nach Jerusalem nun packen sie die Gelegenheit beim Schopf und versuchen, das Beste für sich herauszuholen.

Das kennen wir doch alle von uns selbst, oder? Ob es beim Kampf um die besten Plätze im Kino oder im Konzert ist. Oder beim Kampf um das kalte Buffett…oder um die Liegestühle am Hotelpool…

 

Jesus scheint den Wunsch zu verstehen, dass jemand Erster sein möchte. Er tadelt die beiden …und alle seine Jünger deshalb nicht.

Vielmehr – und das ist entscheidend – ordnet er die Prioritäten neu. Er stellt einen anderen Maßstab auf, in dem er ermutigt: Haltet fest an dem Wunsch, Erste oder Erster zu sein. Aber mit einer anderen Zielsetzung:

  • Erster sein, in der machtvollen Liebe zu anderen
  • Erster sein, in Großherzigkeit
  • Erster sein, im Dienst für andere

Jesus bestimmt damit in einem klaren Gegenentwurf neu, was dem Leben und den Menschen guttut …und dient.

 

„Nicht so bei euch“! rief er seinen Jüngern zu.

– …Zeigt sich das aktuell in den kirchlichen Gemeinden?

– …Ist etwas davon sichtbar in der Hierarchie der Diözesen?

– …Zwischen den Amtsträgern

– …und im Miteinander des Volkes Gottes?

– … Zeigt sich das bei uns? In unserer Gemeinde?

Titel und Rangordnungen finden sich auch in der Kirche. Und es gibt natürlich – wie in jeder differenzierten Organisation – »Erste«. Dagegen spricht sich Jesus nicht aus.

Diese aber, sollen sich anders verhalten, als es landläufig die »Ersten«, die Leiter, die Mächtigen in der Gesellschaft tun, die mit ihrer Macht nicht lebensfördernd umgehen.

Wer zur Nachfolgegemeinschaft Jesu gehört, der soll seine Macht …auch die »geistliche Vollmacht«, …im Sinne Jesu einsetzen. Dann wird sie eine positive, gestalterische und schützende Kraft. Lebens- und liebesfördernd.

In unserer Gesellschaft sind die wenigsten „ohnmächtig“, also ohne Macht. Und wenn es nur im Kleinen ist, eine gewisse Macht haben wir alle. Im Beruf, in der Familie, gegenüber Kindern, im Straßenverkehr, und… und…und…

Wie vorher festgestellt: „Wer zur Nachfolgegemeinschaft Jesu gehört, der soll seine Macht im Sinne Jesu einsetzen. Dann wird sie eine positive, gestalterische und schützende Kraft. Lebens- und liebesfördernd.“

 

Fangen wir bei uns selber an, seien wir die ERSTEN:

  • Erster, bei Toleranz
  • Erster, bei Mitgefühl
  • Erster, im Dienst für andere
  • Erster, in Großherzigkeit und Teilungsbereitschaft
  • Erster, in der Liebe zu anderen
  • Erster, in der Liebe zu Gott…..

Amen.

 

Christian Ernemann

 

Gedanken zu LK 1, 39-45

GEDANKEN ZU JOH 6,51-58

Der Evangelist Lukas erzählt von der Begegnung zweier Frauen, die nicht nur schwanger sind, sondern sich auch von Gott begnadet wissen. Das Glück der beiden Frauen hat noch eine viel tiefere Dimension als die Freude zweier werdender Mütter. Mit ihnen sind auch wir von Gott beschenkt.

 

EINE BEGEGNUNG

Schön, dass wir das sehen dürfen! Zwei Menschen treffen sich, zwei Mütter, zwei werdende Mütter! Die eine ist richtig alt! Die andere fast zu jung! Die eine heißt Elisabeth – die andere Maria. Die eine hat ganz viel Geschichte hinter sich – die andere noch ganz viel vor sich. Wie viele Generationen zwischen ihnen liegen? Ich weiß es nicht. Doch worauf es ankommt – das sind die Kinder. Was von ihnen zu sehen ist? Gewölbte Bäuche. Wie die beiden wohl ausgesehen haben in ihren Schwangerschaftshängern – sofern es so etwas damals schon gegeben hat. Ich fühle mich jedenfalls an meinen ersten Schwangerschaftskurs erinnert. Und an die Gespräche, an das Lachen und auch an so manchen Zweifel! In der Situation sind alle gleich und alle auch gleich voller Hoffnung. Schön, dass wir das sehen dürfen!

 

DER HEILIGE GEIST

In seinem Evangelium erzählt Lukas von dieser Begegnung. Von dieser einmaligen Begegnung. Eine Wiederholung hat es leider nicht gegeben. Nur die beiden Kinder werden ständig irgendetwas miteinander zu tun haben. Davon zu erzählen, heben wir uns auf. Es wird viele Gelegenheiten geben. Versprochen! Jetzt nehmen sich die beiden Frauen erst einmal in den Arm – Elisabeth und Maria. Ihre Bäuche schmiegen sich aneinander. Lukas erzählt sogar – woher er das wohl weiß? -, dass das Kind im Bauch Elisabeths hüpft. Das kann man tatsächlich sehen! Wer dann mit der Hand über den Bauch streichelt, spürt das neue Leben in seiner Handfläche. Glücksmomente für werdende Eltern! Man kann sogar mit den Bewegungen spielen. Und mit jeder Bewegung wächst die Freude: bald!

 

Soweit erzählt Lukas eigentlich nicht mehr als eine Geschichte von zwei schwangeren Frauen.

Liebe Mütter, liebe Väter, die ihr heute hier seid: Ihr kennt das! Und ihr Kinder! Lasst euch erzählen, wie schön das war, eure Bewegungen zu spüren. Eure Eltern haben regelrecht darauf gewartet. Und haben sich dabei glücklich angeschaut.

 

Lukas schaut ein wenig verwundert drein. Heh, ist ja schön, was ihr jetzt denkt. Aber ich möchte euch mehr erzählen. Von diesen beiden Menschen! Elisabeth freut sich jetzt nicht über ihr Kind, das in ihr wächst – sie freut sich überschwänglich über das Kind, das im Bauch der Maria darauf wartet, das Licht der Welt zu erblicken. Sie nennt es sogar „ihren Herrn“! Die alte Frau nennt das noch nicht geborene Kind „Herr“! Große Dinge scheinen sich anzukündigen, von denen wir noch wenig wissen. Was weiß Elisabeth? Maria ist in dieser Begegnung still. Sie sagt – außer ihrem Gruß, als sie das Haus betritt – kein Wort. Aber sie hört etwas! Sie hört etwas von ihrem Kind! War da nicht vorher schon der Engel, der eigens zu ihr gesandt war?

 

Und jetzt Elisabeth. – Lukas lüftet auch das Geheimnis. Der Heilige Geist hat die Fäden in der Hand. Der Heilige Geist spielt in dieser Geschichte – sagen wir – die Hauptrolle. Was wir nicht wissen können, wird uns gesagt. Von ihm.

 

WENN ALTE VERHEISSUNGEN GOTTES IN ERFÜLLUNG GEHEN

Spannende Frage: Hat das Hüpfen des Kindes im Bauch der Elisabeth womöglich auch noch eine andere Bedeutung, als die natürliche Bewegung eines Babys, das sich schon einmal streicheln lässt? Doch! Johannes freut sich! Johannes freut sich auf Jesus! Johannes freut sich darüber, dass die alten Verheißungen Gottes in Erfüllung gehen. Dabei ist Johannes noch nicht einmal geboren! Eine schöne Geschichte: Bevor nur ein Wort gesagt wird, wandert die Freude über den Bauch der Elisabeth. Es ist jetzt nicht das Gesicht, auch nicht die Augen, die lachen – es ist der Bauch! Lukas hat viele schöne Geschichten erzählt in seinem Evangelium, das aber ist einmalig: dass ein Bauch vor Freude bebt, hat die Welt noch nicht gesehen. Nicht gesehen? Doch – hat sie!

Es war im Bergland von Juda. Hier sagen sich Fuchs und Hase „Gute Nacht“. Gott fängt in der Einöde Neues an. Eigentlich unbemerkt. Wenn da nicht der Bauch wäre!
Du, Betlehem-Efrata, bist zwar klein unter den Sippen Judas,
aus dir wird mir einer hervorgehen, der über Israel herrschen soll.

So Micha, einer von den zwölf kleinen Propheten.
Die Menschen werden in Sicherheit wohnen;
denn nun wird er groß sein bis an die Grenzen der Erde.
Und er wird der Friede sein.

Ist es in Ordnung, wenn ich es einfach zitiere? Ich habe kaum Worte dafür. Mein Bauchgefühl sagt mir, es sei Zeit für diese Hoffnung: … bis an die Grenzen der Erde … Er wird der Friede sein.

 

ALT UND JUNG

Wir sollten noch mal zu Elisabeth und Maria gehen! Eine intime Szene – eigentlich. Von Lukas aber so gemalt, dass die ganze Welt zusehen soll. In der Begegnung dieser beiden Frauen treffen Welten aufeinander: die „alte“ Welt, die die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat – und die „neue“ Welt, die Schalom, Frieden, Heil bringt. In der Begegnung dieser beiden Frauen treffen Hoffnungen aufeinander. Merkwürdig: Mehr als diese Schwangerschaften haben wir gerade nicht. Dass Gott so klein anfängt – oder auch so klein weitermacht – passt doch tatsächlich in einen Bauch.

Manuela Paflitschek

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Gedanken zu Mk 8,27-35 und Jes 50,5-9a

Gedanken zu Mk 8,27-35 und Jes 50,5-9a

EIN UND DEIN BLICK AUF JESUS
Franz Kamphaus, der frühere Bischof von Limburg, fing eine Predigt zur Priesterweihe so an: „Wer bin ich für dich? Wer fragt denn sowas? Ein Kind – und Jesus!“ Die Pause im dritten Satz war lang. Das war das Anliegen des Bischofs. Er wollte die Gemeinde zum Nachdenken bringen.
Ich verändere diese Situation ein wenig. Ich mache aus der Frage Jesu an seine Jünger eine Frage eines suchenden Menschen an uns als Gemeinde: „Wer ist Jesus für Euch?“
Welche Antworten bekäme er von uns? Was an Jesus ist uns so wichtig, dass wir sie diesem Menschen sagen wollen?

  • Ist er der gute Redner, der für jede Situation ein passendes Gleichnis hatte?
  • Ist er der Heiland, der Not sah und darauf reagierte?
  • Ist uns aus dem vergangenen Juli und August mit den Evangelien aus dem 6. Kapitel des Johannesevangeliums sein Anspruch wichtig: »Ich bin das Brot des Lebens«?
    Die Liste können wir beliebig verlängern. Meistens werden unsere Bekenntnisse die Größe Jesu beschreiben. Es ist wohl eine Einladung an den suchenden Menschen, auch dazuzukommen. Es lohnt sich doch!

WIE PASST DAZU DER GOTTESKNECHT?
Wie leicht oder schwer fiele uns der Hinweis aus der Jesajalesung? Ist Jesus für mich »der Gottesknecht«? In der Karwoche legen es die Lesungen nahe. Gott hat seinen Sohn auf diesen Weg vorbereitet. Er wird leiden… Da kann es eine Hilfe sein, zu sagen: „So war es ja beschrieben. Einmal wird das sein.“
Petrus will das nicht wahrhaben. Da muss er eingreifen. Er weist Jesus zurecht. Er will weiter den großen Meister anschauen und ihm folgen. Petrus wird von Jesus abgewiesen.
Tatsächlich fällt es schwerer, den Leiden eines Menschen zuzuschauen. Es fällt leichter, die Erfolge zu sehen und zu teilen. Dann bleibt Jesus der Große! Er fällt dann aber als unser Erlöser aus.

BRAUCHE ICH EINEN ERLÖSER?
Den Emmausjüngern legt Jesus es auf dem Weg dar: „Der Messias musste all das erleiden, um so in seine Herrlichkeit einzugehen!“ Wenn wir das am Ostermontag hören, kennen wir schon das Ergebnis. Karfreitag war nicht das Ende, sondern Ostern der Neubeginn.
Der Gottesknecht geht seinen Weg, um die Menschen zu erlösen. Ich habe eben bei den möglichen Worten über Jesus »den Erlöser« nicht erwähnt. Soll ich es nun tun?
Ist Jesus für mich »der Erlöser«? – Wovon soll er mich erlösen? Kann ich mir selbst auch Schwachstellen in meinem Leben eingestehen? Oder spreche ich sie nur in der Geistlichen Begleitung oder in einem Beichtgespräch an?
Jesus als »Heiland in der Not« sehen wirft die Frage auf: Handle ich dann auch so wie er? Genau dazu fordert der Jakobusbrief auf. Wenn du einen Menschen in Not siehst, dann hilf ihm. Sei für ihn wie ein Martin oder ein Christophorus. Sei für ihn das strahlende Auge, mit dem er angeschaut wird.

DER WIEDERHOLTE ODER INTENSIVE BLICK
Wer bei einem Museumsbesuch länger vor einem Bild verweilt, entdeckt meist nach und nach immer mehr. Das Bild erzählt dem Betrachter immer noch mehr. Gilt das auch für unseren Blick auf Jesus?
Ab und zu kommen Fremde in unsere Kirche und haben mich nach Details der Fensterbilder gefragt. Bei manchen Dingen musste ich selbst einmal schauen. Sie sind mir in all den Jahren nicht aufgefallen. Erst der Erklärungswunsch der Fremden hat mir neu den Blick geschärft. Und er lässt mich fragen: „Welche Botschaft wollte der Künstler vermitteln?
Decken- und Wandgemälde in Kirchen oder die gestalteten Fenster sind als bleibende Werke gedacht und beauftragt worden. Wir sehen sie immer wieder.
Viele Menschen kennen »digitale Bilderrahmen«. Je nach Einstellung wechseln sie immer wieder das Bild, das sie zeigen. Alle Bilder hat der festgelegt, der die dazugehörige Bildbibliothek erstellt hat…
Auf Jesus bezogen muss sich niemand mehr festlegen auf ein Motiv oder eine Seite Jesu. Es kann die Vielfalt der Seiten Jesu dokumentiert werden.
Von Jesus kann ich sagen: Du bist für mich die Vielfalt, die mich trägt!

Manuela Paflitschek, Pastorale Mitarbeiterin

Gedanken zu Joh 6,51-58

GEDANKEN ZU JOH 6,51-58

Da stritten sich die Juden untereinander und sagten: „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“. Das war nicht nur damals eine schräge, wenn nicht sogar widerliche und unerträgliche Vorstellung, das geht uns heute noch genauso.
Doch Jesus lässt sich davon nicht irritieren. Er spricht weiterhin vom Fleisch, immer wieder, gleich viermal hintereinander, und wie um das Ganze zu verschlimmern, nimmt er noch den Begriff „Blut“ dazu. „Amen, das sage ich euch: Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.“ Jesus lässt keine Zweifel. „Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben. Denn mein Fleisch ist wirklich eine Speise und mein Blut ist wirklich ein Trank.“ Wenn Jesus diese anstößige Formulierung verwendet, obwohl er um diese Anstößigkeit weiß, dann hat dies einen gewichtigen Grund.
Wir kennen aus unserer eigenen Sprache Formulierungen, die helfen die Absicht Jesu zu verstehen: „etwas ist uns in Fleisch und Blut übergegangen“ oder „etwas hat sich tief in uns eingefleischt“. Wir meinen damit nicht etwas symbolhaft Äußerliches, sondern etwas, das uns tatsächlich in Fleisch und Blut übergegangen ist und sich tief in unser Bewusstsein eingeprägt, eingefleischt hat.
Das ist der Punkt, den Jesus hier anspricht. Er spricht von seinem Lebensweg. Dieser Weg war ein sehr konkreter Weg, ein Weg, der ihn in Gegnerschaft mit den Mächtigen brachte, der von ihm äußerste Entscheidungen verlangte, der ihn zum grausamen Weg ans Kreuz führte, auf dem er aber Auferstehung erfuhr, ein Weg, der für ihn wahres, ewig gültiges Leben bedeutete.
Wenn Jesus nun von den Seinen einforderte, dass sie sein Fleisch essen und sein Blut trinken sollten und dass dieser Weg ewiges Leben und Auferstehung bedeute, dann, damit die Seinen sich dieses Konzept von Leben buchstäblich einfleischen sollten. Dies sollte ihnen in Fleisch und Blut übergehen.
In diesem Sinne ist die Ablehnung der Umstehenden, die sich in dieser Anfrage: „Wie kann er uns sein Fleisch zu essen geben?“ ausdrückte, eher eine Abwehr gegenüber einem solch kompromisslosen Lebensweg. Man streitet dann lieber um eine problematische Formulierung als über den herausfordernden Inhalt. Deshalb lässt sich Jesus hier nicht irritieren, unterstreicht das Ganz noch einmal: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben.“ Er wird Auferstehung erfahren. Es geht Jesus um eine lebendige Beziehung zu ihm, zu Gott, seinem Vater. Leben ist Beziehung. Wirkliches Leben ist Beziehung. In welchen Beziehungen wollen wir leben? Welche Beziehung bedeutet wirkliches Leben und welche Beziehungen verfehlen das Leben?
Als eine wirkliche, sogar ewig gültiges Leben nährende Beziehung, bietet sich Jesus selbst an. Er ist das lebendige Brot vom Himmel, ein Lebensentwurf, der uns in Fleisch und Blut übergehen soll. Es geht hier um eine seelisch-ganzheitliche Lebensnahrung.
Im Allgemeinen achten wir darauf, was wir an Essen und Trinken zu uns nehmen. Wir schauen nach der Herkunft und den Inhaltsstoffen. Frisch soll die Nahrung sein, ökologisch angebaut.
Sind wir bei unserer Seelennahrung auch so genau? Wie viel konsumieren wir, eher nebenbei, durch die Medien, Fernsehen, Internet? Wo viele Eindrücke, Bilder, Gewalt, Oberflächlichkeit, Gerede, so viel Ablenkung, die doch Geist und Seele nicht satt machen. Was macht uns nun wirklich satt? Wie stillen wir unseren Hunger nach Liebe und Geborgenheit, nach Annahme und Zuwendung, unseren Hunger nach Freude und Hoffnung, mehr noch, nach einem sinnhaften Lebensentwurf, der selbst dort nicht sinnlos wird, wenn er uns viel abverlangt, wo es Durststrecken zu durchstehen gilt, unter Umständen Leiden und Tod bedeuten?
Da ist die Rede von Jesus klar und eindeutig. Ich bin das lebendige Brot. Jeder, der mich isst, wird durch mich leben. Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit. Natürlich sprechen diese Worte auf das Letzte Abendmahl an und heute auf unsere Eucharistiefeiern, die sich ja als die Erfüllung der Bitte Jesu, sein Mahl zu feiern, sein Fleisch zu essen, bis er wiederkommt, verstehen.

Vom Essen dieses Brotes verspricht sich Jesus die große Hereinverwandlung seines Lebens in unser Leben und unseres Lebens in sein Leben.
Joe Übelmesser hat dies einmal in seinem Gedicht: Die fünfte Verwandlung, so ausgedrückt:
Wenn aus dem Samen die Ähre wächst und am Weinstock die Trauben reifen, dann hat Gott selber die Hand im Spiel. Dies ist die erste Verwandlung. Aus den Körnern wird Brot gebacken und aus den Trauben der Wein gekeltert. Menschenhand verbunden mit Gottes Kraft. Dies ist die zweite Verwandlung. Wenn aus dem Brot Leib Christi wird und sein Blut aus dem Wein im Kelche, weil jemand wieder die Worte spricht wie einst beim letzten Abendmahl, dann geschieht die dritte Verwandlung. Versammelt zum heiligen Mahl, empfangen wir dann ihn selber als Speise, um eins zu werden mit ihm. Ein Herz und eine Seele und ein Leib. Dies ist die vierte Verwandlung. Und als neue Menschen in seinem Geist sind wir gesendet, die Welt zu verwandeln.
Das ist die fünfte Verwandlung, die schwerste von allen, aber die wichtigste. (Dass wir sie erfüllen, dazu segne uns, Herr, unser Gott. Amen.) Das ist die Schwerste von allen, aber die Wichtigste. Das wusste Jesus und deshalb redet er hier nicht um den heißen Brei. Er benennt es direkt mit diesen anstößigen und herausfordernden Worten: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, hat das ewige Leben und ich werde ihn auferwecken am Letzten Tag.“
Und Jesus fügt noch hinzu: „Mit diesem Brot ist es nicht wie mit dem Brot, das eure Väter gegessen haben; sie sind gestorben. Wer dieses Brot isst, wird leben in Ewigkeit.“
Wenn wir zum Arzt müssen, kann dieser in unserem Blutbild lesen wie in einem Buch, was uns fehlt, wie es um unser Organe und unsere Lebenskräfte, ja um unser Leben steht. Wird sich in unserem Blutbild heute auch Jesus Lebensentwurf feststellen können, wenigstens ansatzweise?

Franz Nagler, Pfarrer i.R.

Gedanken zu APG 4,32-35 UND JOH 20,19-31

Die erste Lesung hatte in der Geschichte des Christentums eine lang anhaltende Wirkung. Wir wissen nicht, ob es diesen Zustand jemals gab in der Kirche, dass alle „ein Herz und eine Seele“ waren, dass alle alles gemeinsam hatten, dass keiner Not litt, dass alle Zeugnis von der Auferstehung ablegten, dass jedem so viel zugeteilt wurde, wie er nötig hatte, möglich geworden aus einem Topf, da alle Grundbesitzer ihre Häuser und Grundstücke verkauften und das Geld den Aposteln übergaben.
Aber der Bericht muss auf einer Erinnerung beruhen, wie groß die Geschwisterlichkeit am Beginn der Jesusbewegung war. Das Christentum hatte für die Gesellschaft eine heilsame Bedeutung. Der Bericht verursachte wahrscheinlich damals schon einen ziehenden Schmerz, wie der Beginn war und es heute nicht mehr ist.

 

Vor allem vor dem Hintergrund des Römischen Reiches war das Christentum eine reale Alternative. Dies wurde bemerkt und in kaum nachvollziehbarer Geschwindigkeit verbreitete sich das Christentum. Der Bericht der Apostelgeschichte war eine Antwort auf die Ausbeutung durch den römischen Staat und seine morbide Gottes- bzw. Götzenverehrung.
Ein wenig spiegelt sich dies auch im Bericht über den sogenannten „ungläubigen“ Thomas. Worin bestand denn seine Ungläubigkeit? Doch nur darin, dass er den anderen Aposteln nicht geglaubt hat.

 

Thomas scheint einer gewesen zu sein, der die Anfangsbegeisterung, dass alle ein Herz und eine Seele waren, nicht mitbekommen hatte. Er scheint nicht mitbekommen zu haben, wie der Geist Jesu auf die Jünger übergegangen war, wie durch die Sündenvergebung alte Rechnungen beglichen worden waren.
Thomas war beim ersten Treffen nicht dabei. Hatte er sich vom Jüngerkreis entfernt? Nun hat er sich wieder angenähert: „Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei.
Er hatte sich wohl von den anderen Jüngern die erste Begegnung mit Jesus erzählen lassen, aber darauf mit einer klaren Einstellung reagiert: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe, und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.“
Es scheint nicht der Fall gewesen zu ein, dass Thomas ungläubig war. Im Gegenteil wollte er durch seine Anfrage der Sache auf den Grund gehen, wollte Vertrauen und Erfahrung, Glaube und Vernunft zusammenbringen.
Ein vorgelegter Glaube war für ihn kein möglicher Weg. So geht er einer direkten Begegnung mit dem auferstandenen Christus entgegen.

 

Unsere Situation heute ist dem nicht unähnlich. Der vorgelegte Glaube, die Katechismussätze überzeugen kaum mehr Menschen, gesucht wird eine direkte Gotteserfahrung.
Die Haltung von Thomas ist hier eher als eine aktive Anstrengung Christus zu begegnen, zu verstehen. Der auferstandene Christus scheint dies honoriert zu haben. Bei der ersten Begegnung mit den Aposteln heißt es: „Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite.“ Bei dieser zweiten Begegnung, acht Tage später, fordert Jesus Thomas direkt auf: „Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!“
Thomas lebte in einer Haltung wacher Erwartung. Er vertraute darauf, dass es tatsächlich Erfahrungen des Göttlichen zu machen gibt und dass es darauf ankommt, dafür offen zu sein.

 

Vor kurzem haben wir uns mit der These von Tomas Halik beschäftigt, „so zu leben, zu glauben, als ob es Gott gäbe“. Denn wer so lebt wird neue Erfahrungen mit dem Glauben machen, ihm werden sich größere Möglichkeiten öffnen, die das Leben wertvoller, reicher machen. Durch das Experiment der Erfahrung wird sich zeigen, welch lebensfördernde Wahrheit hinter dem Glauben steckt. Und tatsächlich, die aktive Anstrengung des Thomas, Christus zu begegnen, wird mehr als erfüllt, so dass er nur noch stammelnd bekennt: „Mein Herr und mein Gott!“. Zehn Apostel konnten Thomas nicht überzeugen, die reale Begegnung mit dem Auferstandenen brachte es zustande.

 

Wir werden heute nicht daran vorbeikommen, dieselben Wege zu beschreiten. Hinter all dem Traditionsgut unserer Kirche muss die direkte Erfahrung mit Christus, mit Gott gesucht werden. Erst eine Erfahrung mit dem Glauben, mit einer Gotteserfahrung wird dann auch den Reichtum der Tradition erschließen oder diese in Frage stellen, verändern, bereichern. „Ich habe dich draußen gesucht, während du drinnen warst“, wird der heilige Augustinus über seinen Lebensweg bekennen.

 

Auffallend bei dieser Begegnung mit dem Auferstandenen ist die Sündenvergebung: „Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.“ Aufgabe der Sündenvergebung war es, die Menschen in die Lage zu versetzen, ohne Hindernisse in der Gemeinschaft mit Gott zu leben.
Dazu bedurfte es zuerst einer eigenen Selbstreflexion. Romano Guardini schrieb dazu: „Hat der Mensch, der immer „recht“ hat, nicht in Wahrheit aufs gefährlichste unrecht? Blickt der Mensch, bei dem immer die anderen schuld sind, nicht beständig an der eigenen Schuld vorbei? Lebt der, der immer seinen Willen durchsetzt, nicht in verhängnisvoller Täuschung darüber, wie töricht, wie eingebildet, wie engherzig, wie gewalttätig er ist, und welches Unheil er anrichtet? Will ich also richtig mit mir selbst – und, aus mir heraus, mit den anderen – umgehen, dann darf ich nicht an meiner Wirklichkeit vorbeiblicken, mir nichts vormachen, sondern muss wahr gegen mich sein. Aber wie schwer ist das; und wie kläglich sieht es mit uns aus, wenn wir uns ehrlich prüfen.“
Wollen wir dies heute einlösen, dann ist uns eine herausfordernde Zukunft beschieden, in der das Christentum wieder heilsam in die Gesellschaft hineinwirken kann.

 

Damals reagierte das Christentum auf die politisch-gesellschaftliche Realität des Römischen Reiches. Wie sieht heute unsere politisch-gesellschaftliche Realität aus, auf die wir zu reagieren haben, wenn das Christentum weiterhin heilsam auf die Gesellschaft wirken soll?
Vor kurzem wurde in ganz Europa eine Umfrage gestartet mit einem erschreckenden Resultat. In fast allen Ländern wurde ein Wechsel von einem demokratischen System zu autoritären Staatsformen gewünscht, in Italien und Frankreich bis zu 40%. Diese verhängnisvolle Entwicklung hängt wesentlich mit fehlender sozialer Gerechtigkeit, mit schlechten Bildungssystemen und der Angst um die eigene Sicherheit zusammen, wobei die Politiker nahezu alles Vertrauen verloren haben.
Insofern sind wir in den Gemeinden herausgefordert, eine gute religiöse Bildung zu ermöglichen, integrativ zu arbeiten, was sich schon aus dem Begriff „katholisch, alle und alles umfassend“ ausdrückt, und so pastoral zu handeln, dass den Menschen aus dem Glauben ein gutes Grundvertrauen ermöglicht wird.
Die Erinnerung an die Urgemeinde begleitet uns bis heute wie ein ziehender Schmerz, genauso wie das Beispiel des Thomas uns ermutigt, die Herausforderungen ohne Scheuklappen anzugehen.

Franz Nagler, Pfarrer

Gedanken zu Mk 1,40-45

Demonstrationen in großem Ausmaße haben in den letzten Wochen das öffentliche Bild in Deutschland geprägt und bestimmen es weiterhin. Die Mitte der Gesellschaft tritt auf, lautstark gegen Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit, für mehr Demokratie und kulturelle Vielfalt. Letztlich geht es um Integration, dass kein Mensch aufgrund von Behinderung, Rasse, Geschlecht oder anderer Andersheiten ausgeschlossen wird. Wer andere ausschließt, engt sich ein und verarmt.

 

Wir haben heute ein Evangelium, das diese Thematik aufgreift. Da wird ein Mensch aufgrund einer Krankheit ausgeschlossen und erfährt in einem solchen Maße die Tragik seines Ausschlusses, dass er hier die ihm auferlegten Grenzen sprengt. Der Aussätzige durchbricht seinen abgegrenzten Bereich und nähert sich der Menschengruppe um Jesus.

 

Die Regeln für die Trennung von Aussätzigen von der Allgemeinheit sind zwar nachvollziehbar, – bei uns in der Coronazeit war es durch den Hausarrest nicht anders -, aber sie lassen die Lebenssituation der Betroffenen völlig außer Acht, sogar zuweilen soweit, dass die Betroffenen, die Kranken selbst sich als eine Zumutung für jede und jeden anderen empfinden, sogar gegenüber Gott. Mit solchen Selbstwertwunden leben zu viele Menschen, sogar ohne Krankheiten, mit der Folge, dass Teile des Lebens verborgen werden müssen, dass vieles getan wird, um irgendwie Anerkennung in der Gesellschaft zu erfahren.

 

Rainer Maria Rilke hat diese Erfahrung von Selbstwertwunden in einem Gedicht über Aussatz so verarbeitet:

Sieh, ich bin einer, den alles verlassen hat.
Keiner weiß in der Stadt von mir,
Aussatz hat mich befallen.
Und ich schlage mein Klapperwerk
klopfe mein trauriges Augenmerk
in die Ohren allen
die nahe vorübergehn.
Und die es hölzern hören, sehn
erst gar nicht her und was hier geschehn
wollen sie nicht erfahren.

Soweit der Klang meiner Klapper reicht
bin ich zuhause; aber vielleicht
machst Du meine Klapper so laut,
dass sich keiner in meine Ferne traut
der mir jetzt aus der Nähe weicht.
So dass ich sehr lange gehen kann
ohne Mädchen, Frau oder Mann
oder Kind zu entdecken.

Thiere will ich nicht schrecken

 

Der Erkrankte klagt hier über seine Ausgeschlossenheit, über seinen selbst empfundenen Unwert: „Und ich schlage mein Klapperwerk, klopfe mein trauriges Augenmerk in die Ohren allen, die nahe vorübergehn. Und die es hölzern hören, sehn erst gar nicht her und was hier geschehn wollen sie nicht erfahren.“ Er hat sich in seine Ausgeschlossenheit eingewöhnt: „Soweit der Klang meiner Klapper reicht bin ich zuhause;“ er wünscht sich sogar, dass sich die Ferne vergrößere, aber letztlich ist es ein einziger Schrei nach: „Mädchen, Frau oder Mann oder Kind.“ Tiere will er nicht schrecken.
Der Aussätzige im Evangelium verhält sich da anders. Dabei ist es nicht nur der Leidensdruck, der ihm hilft, die Grenze zu sprengen, es ist auch die feste Hoffnung und Gewissheit, dass dieser Jesus, von dem er gehört hatte, ihn heilen werde. „Wenn du willst, kannst du mich rein machen“, wendet er sich an Jesus.
Der Aussätzige brachte den Mut auf, und sei es aus Verzweiflung, das Wüstenei der Versteckspiele zu verlassen. Offensichtlich bewegte ihn die tiefe Hoffnung, dass es auch für ihn ein freies, ein befreites Leben geben kann, ja geben muss und dass dies zu finden wäre in diesem Jesus von Nazaret. So fügt er sich nicht in sein Schicksal, sondern bricht alle Tabus und wagt den Weg auf diesen Jesus zu, sogar bis zu seinen Füßen: „Er fiel vor ihm auf die Knie.“
Und Jesus hatte Mitleid mit ihm. In ursprünglicheren, früheren Handschriften steht hier: Jesus empfand Zorn, Zorn, dass da ein Mensch sich schämen muss für sich selbst, bis in seinen intimsten Gefühlsbereich hinein, bis in seine Beziehung zu Gott. So soll kein Mensch leben müssen.
Dies lässt nun Jesus alle Tabus brechen: „Ich will – werde rein!“ Er spricht nicht nur diese heilenden Worte, er streckt seine Hand aus und berührt diesen Menschen. Er nimmt dabei in Kauf, selber unrein zu werden, ausgegrenzt zu werden, was dann ja auch am Kreuz grausame Wirklichkeit wurde.
Jesus sprengt hier die religiös gesellschaftlichen Grenzen, durch die Menschen herabgesetzt und ausgegrenzt werden, formt sozusagen eine Gesellschaft, Gemeinschaft der Unreinen, die nicht ausgrenzt und vertreibt.
Dies sollte in Zukunft sein Lebensprogramm werden. Die Evangelien erzählen davon viele Begebenheiten. Im Gedränge nähert sich Jesus eine Frau von hinten, um den Saum seines Gewandes zu berühren; ein Gelähmter wird durch eine Öffnung vom Dach herabgelassen; der blinde Bartimäus schreit so lange, bis er von Jesus bemerkt wird; eine ausländische Frau lässt sich nicht abwimmeln und diskutiert mit Jesus, bis er von ihrem Glauben so beeindruckt ist, dass er ihr Kind heilt. Daran vollends besteht kein Zweifel, dass Jesus Dämonen austrieb und heilend wirkte. Er war eben der Heiland.

 

Von Franz von Assisi, der gleichfalls Schranken und Tabus der Gesellschaft in seiner Zeit durchbrach, gibt es die Erzählung einer Begegnung mit einem Aussätzigen.
Nachdem er den Aussätzigen umarmt hatte, beschreibt er diese Erfahrung so: „Das, was mir vorher bitter vorkam, verwandelte sich in Süßigkeit der Seele und des Leibes.“
Man muss diese Erfahrung sehr ernst nehmen. Ausgrenzungen, aus welchen Gründen auch immer, heute: Rassismus, Vertreibung, Fremdenfeindlichkeit lassen das Leben verarmen, machen es bitter und eng.
Wo Menschen es wagen, Grenzen zu überschreiten, andere ganz nahe an sich heranzulassen, sich ihnen zu nähern, sie zu berühren, mit ihnen in Kontakt zu treten, zu helfen, da verwandeln sich die Bedenken, die Angst um das eigene Selbst, um die Wahrung des eigenen Wohlstandes in Süßigkeit der Seele und des Leibes.
Die Heilkraft Jesu rührte nicht von irgendeiner Magie her. Sie hatte ihren heilenden Grund in seinen Worten und Gesten und dem Vertrauen, dass Gott selbst heilend in den Menschen wirkt.
Im Grunde ist dies die Basis allen Segens: Wir sprechen Worte, Segensworte, wie z.B.: „Ich wünsche dir einen guten Tag“, in der Hoffnung, dass unser Wohlwollen bei den Menschen ankommt und dass Gott das Gewünschte im Leben dieser Menschen einlöse.

Franz Nagler, Pfarrer

Gedanken zu Erntedank und Mt 21,28-32

Freundschaft ist die Keimzelle einer demokratischen Gesellschaft, im Gegensatz zum aggressiven Individualismus einer Konsumgesellschaft. Wahre Freunde sind diejenigen, die füreinander das Beste wollen und zwar um des Anderen willen. Freundschaft basiert auf emotionaler Zuneigung zum anderen Menschen. Sie ist frei und freiwillig. Freundschaft muss gesucht, gepflegt und gefördert werden, damit sie erhalten bleibt. Gegenseitiges Wohlwollen, Sorge füreinander, gegenseitige Unterstützung, auch im Bewusstsein der Verletzlichkeit des Anderen, miteinander wachsen und reifen, Differenzen aushalten lernen, all dies ist lebensnotwendig für eine gute, lebenslange Beziehung, gleich welcher Art. Freundschaft ist nicht auf Gewinn ausgerichtet, aber sie bringt ein gewisses Maß an Gegenseitigkeit mit sich.

 

Heute, an Erntedank, möchte ich dies auf die Beziehung zu unserer Mutter Erde ausdehnen. Sicher, die Beziehung zur Mutter Erde, zur Schöpfung ist eine asymmetrische Beziehung, doch wir sollten nicht vergessen, dass es die Erde ist, die sich beständig um uns kümmert und uns Nahrung und Raum zum Leben gibt. Wir erhalten alles von der Erde. So sollten wir uns zu ihr so verhalten, dass sie allen Menschen, den anderen Lebewesen und auch den künftigen Generationen ein Auskommen bieten kann. Die freundschaftliche Einstellung zu ihr muss daher im Sinne eines Bewusstseins der Verbundenheit, der Zerbrechlichkeit, des Zusammenwachsens und der Schaffung eines sozialen und ökologischen Gemeinwohls verstanden werden.

Leider ist uns diese Grundlage ziemlich verloren gegangen. Der Mensch trat der Erde als zügelloser Herrscher und Ausbeuter gegenüber und ist jetzt an einem Punkt gekommen, wo er merkt: er gefährdet alles Leben auf der Erde. Die Anklage der jungen Generation: „Ihr raubt uns die Zukunft“, ist nicht unberechtigt. Der Mensch hat vergessen, dass er Teil der Schöpfung ist und mit den anderen Geschöpfen zutiefst verbunden ist. Mit gebieterischer Hand holt die Menschheit so viel wie möglich aus der Schöpfung heraus. So haben der Mensch und die Schöpfung aufgehört, sich freundschaftlich die Hand zu reichen und sind dazu übergegangen, sich einander feindselig gegenüberzustehen (LS 106). Deshalb ist eine ökologische Umkehr notwendig, die auf der Erfahrung der Verbundenheit des Menschen mit der gesamten Schöpfung und der Übernahme von Verantwortung und Fürsorge, beruht.

„Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“, so der bekannte Ausspruch von Albert Schweitzer. Alles ist miteinander verbunden. Solidarität darf sich nicht nur auf die Menschen beschränken, sondern auf alle Lebewesen und die gesamte natürliche Umwelt. Wir leben nur ethisch gut, wenn wir die Heiligkeit in allem anerkennen. Dabei sind wir mit anderen Lebewesen auch durch die Erfahrung von Verletztheit und Ausgesetztsein verbunden. Die Erkenntnis, dass wir Menschen zerbrechliche und verletzliche Wesen sind, haben wir mit der ganzen Schöpfung gemeinsam.  Dies ruft uns zu Verantwortung, Solidarität und Fürsorge füreinander, auch für die Erde, unser gemeinsames Haus, auf.

 

Es ist bedeutsam, dass Franz von Assisi seinen Sonnengesang in einem Zustand großen inneren Leidens schrieb. Er schrieb den Hymnus, als er fast völlig blind war. In diesem Zustand machte Franziskus die starke Erfahrung einer gemeinsamen Bestimmung und geschwisterlichen Gleichheit mit allen endlich geschaffenen Wesen. Mit diesem Hymnus wollte Franz von Assisi die Menschen zu geschwisterlichem Respekt und zur Ehrfurcht vor den geschaffenen Wesen und Dingen anspornen. Dies zeigte sich ihm gerade in der Vergänglichkeit und im Tod. In der Atmosphäre des Todes erkennt Franz von Assisi die liebende Kraft Gottes, die die ganze Schöpfung im letzten Urgrund zu einer Einheit verbindet.

Heute, am Erntedankfest, darf uns dies neu bewusst werden und uns zum Handeln anregen. Dazu gibt das Evangelium eine anerkennenswerte Haltung wieder. Jesus erzählt von einem Weinbergbesitzer, der zwei Söhne hatte. Der eine sagte Ja zur Arbeit im Weinberg, wählte den geringsten Widerstand, tat aber nichts, der andere wagte den Konflikt, indem er verneinte, setzte sich aber dann doch so mit dem Auftrag auseinander, dass er später die Sache anging und handelte.

Jesus hatte hier zwar die Zielgruppe der Pharisäer im Blickwinkel, die nicht handelten, und die Zöllner und Dirnen, die sich mit seiner Botschaft auseinandersetzten, aber dies lässt sich genauso auf unsere Beziehung zur Umwelt übertragen, wobei ein Ja durch ein Nein gebrochen etwas Problematischeres ist, als wenn ein Nein durch ein Ja gebrochen wird. Wer zunächst Nein sagt, stellt sich oft der Problematik, muss sich verteidigen und kann allmählich die Thematik in sich reifen lassen, eben bis zu einem Ja. Wer vorschnell Ja sagt, stellt sich oft der Sache nicht und unterlässt das Handeln.

 

„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, sagte Erich Kästner einmal oder Konrad Lorenz: „Was gesagt ist, ist noch nicht gehört. Was gehört ist, ist noch nicht verstanden. Was verstanden ist, ist noch nicht getan. Was getan ist, ist noch nicht beibehalten.“ Und Papst Franziskus fügte in seiner Art hinzu: „Mir ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straße gegangen ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.“ (EG 49)

Jesus erinnert bei seinem Beispiel noch an die Reden Johannes des Täufers, wie er unermüdlich zu einem Umdenken aufforderte, aber nicht gehört wurde. Es gibt derzeit viele Propheten, die zu einem Umdenken aufrufen. Werden sie gehört?

Es geht nicht darum, schnell Ja zu sagen. Es geht darum, dass wir uns mit der Thematik auseinandersetzen, zumal wir im Schöpfungsbericht als Gärtner für die Schöpfung eingesetzt sind.

 

Ich schließe mit der Geschichte eines Rabbis: Dem Gerer Rabbi klagte einmal einer seiner Schüler: „Ich lerne unablässig, ich bete, mühe mich, gut zu sein und das Gute zu tun und merke dennoch nicht, dass ich dadurch Gott näherkomme.“ Da antwortete der Rabbi: „Nimm den Willen Gottes auf dich wie ein Ochse sein Joch und ein Esel seine Last. Schau, wie der Ochse lebt: er geht des Morgens aus dem Stall auf das Feld, er pflügt und wird wieder nach Hause geführt, und so Tag um Tag, und nichts ändert sich bei ihm, aber das gepflügte Feld bringt seine Frucht.“

 

Franz Nagler, Pfarrer

GEDANKEN ZU 1 KÖN 3,5.7-13 UND MT 13,44-46

„Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht!“ So die Bitte Salomos, die wir in der Lesung gehört haben. Eine Bitte, die man jedem Herrscher, jedem Politiker heute wünschen würde.

Salomo war der Nachfolger Davids, der 40 Jahre erfolgreich das Volk regierte und der seinem Nachfolger eine hohe Bürde hinterließ. Zudem war Salomo nach einem Ehebruch geboren, was für ihn eine zusätzliche Belastung war. Seine Bitte um ein hörendes Herz war daher Ausdruck einer schon reifen Lebenshaltung.

Im Hebräischen steht das Wort „Herz“ weniger für Gefühle, es ist Sitz des Denkens. Von daher bittet Salomo um ein hörendes Herz, um die Menschen, sich selbst, wie die Situation des Landes verstehen zu können.

 

Es war Etty Hillesum, eine holländische Jüdin, die in Ausschwitz ermordet wurde, die sich in diese Haltung des Hineinhorchens einübte. Sie schrieb: „Lieben und hineinhorchen in sich und andere, und forschen nach den Zusammenhängen in diesem Leben und nach dir. Eigentlich ist mein Leben ein unablässiges Hineinhorchen in mich selbst, in andere und in Gott. Und wenn ich sage, dass ich hineinhorche, dann ist es eigentlich Gott, der in mich hineinhorcht. Das Wesentlichste und Tiefste in mir horcht auf das Wesentlichste und Tiefste in den anderen. Gott horcht auf Gott.“

Hören, hineinhorchen ist nach ihr ein Akt, wo Gott in mich hineinhorcht, was nichts anderes bedeutet, als dass sich beim Hineinhorchen die Wirklichkeit, wie sie ist, in mir vergegenwärtigt und Wirkung erzielt.

So geht es Salomo auch nicht nur um ein Verstehen, sondern um jene Macht und Ermächtigung, die mir entgegenkommt, wenn ich in die Wirklichkeit hineinhorche.

Etty Hillesum brachte es auf den Punkt, wenn sie sagte: „Wenn ich sage, dass ich hineinhorche, dann ist es eigentlich Gott, der in mich hineinhorcht. Das Wesentlichste und Tiefste in mir horcht auf das Wesentlichste und Tiefste in den anderen. Gott horcht auf Gott.“

Damit ist eine Tiefe erreicht, die nicht tiefer sein könnte. Wenn Gott in der Tiefe allen Lebewesens vorhanden ist, dann kommuniziert in solchem Hinhorchen tatsächlich Gott mit Gott.

Hineinhorchen verlangt ein ungeteiltes Hören in der Hinwendung zur Wirklichkeit und zwar so, dass man sich wirklich der Wirklichkeit aussetzt und nicht nur, um sich selbst zu bestätigen.

 

Das Leben so in den Blick zu nehmen, verlangt eine unparteiische Betrachtung der anderen und der Dinge. Dieses Verweilen in der wahrnehmenden Betrachtung ist keine Selbstverständlichkeit, da wir ansonsten ganz schnell jeweils versuchen, alles zu unserem Vorteil zu verzwecken.

In das Leben hineinhorchen will die Wirklichkeit nicht verkürzen, reduzieren auf unsere Interessen und unser Habenwollen. Alles, was ist, was da ist, hat erst einmal das Recht da zu sein, ohne gleich verzweckt zu werden. Diese uneingeschränkte Offenheit gehört zum Hineinhören unbedingt dazu.

Wenn Salomo bittet: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz“, dann ging es ihm im besten Fall nicht um ein Übertrumpfen des Ansehens seines Vaters, sondern tatsächlich um ein Verstehen und Akzeptieren der Weite des Lebens, um so zu regieren, dass ein gutes Leben für alle möglich werde.

Gott ist nicht fern, wo Offenheit und Freiheit vorhanden sind. So ist es am Schluss nicht verwunderlich, dass Salomo mehr bekommt als erbeten: „Auch das, was du nicht erbeten hast, will ich dir geben: Reichtum und Ehre, sodass zu deinen Lebzeiten keiner unter den Königen dir gleicht.“

Um ein hörendes Herz bitten, hineinhorchen in das Leben, das ist der Boden, der unser Leben weit macht und Lebensfreude ermöglicht, wie Jesus im Evangelium verdeutlicht.

Jesus redet vom Reich Gottes und versucht seinen Jüngern den Inhalt mit Vergleichen zu erklären. Dabei verwendet er Vergleiche, die nicht nur damals erhellend waren, sondern es bis heute noch sind. Es sind alltägliche Bilder, die zum Hineinhorchen einladen.

 

Ein Bauer geht seiner alltäglichen Arbeit nach, aber nicht blindlings, sondern hellwach und entdeckt einen Schatz. Bei diesem Schatz muss man nicht unbedingt an Gold oder Silber denken, sondern vielmehr an ein überwältigendes Ereignis, ein überwältigendes Gefunden worden sein. In unserem Gleichnis erscheint es buchstäblich so, dass der Schatz den Bauern gefunden hat.

So erzählen es auch oft Paare, dass sie eher gefunden wurden. Hätte ich damals nicht die S-Bahn verpasst, hätte ich dich nie getroffen usw. Wenn wir den Schatz unseres Lebens gefunden haben, verändert sich alles, dann sehen wir die Welt mit anderen Augen.

Das Ereignis in unserem Evangelium war und hatte solche Qualität, dass der Bauer sich nicht mit dem Finden begnügte, sondern in die Zukunft investierte: „In seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker.“

Der Alltag wird ihm zum Glücksfall. Mitten im Alltag sind die Schätze verborgen und ein hörendes, hinhorchendes Herz wird sie entdecken.

 

Dazu eine schöne Geschichte von den zwei Mönchen, die miteinander in einem alten Buch lasen, dass es am Ende der Welt einen Ort gäbe, an dem Himmel und Erde sich berührten und das Reich Gottes begänne. Sie beschlossen, ihn zu suchen und nicht umzukehren, ehe sie ihn gefunden hätten. Eine Tür sei dort, so hatten sie gelesen. Man brauchte nur anzuklopfen und befände sich im Reich Gottes.

Schließlich fanden sie, was sie suchten. Sie klopften an die Tür, bebenden Herzens sahen sie, wie sie sich öffnete. Und als sie eintraten, standen sie zuhause in ihrer Klosterzelle und sahen sich gegenseitig an. Da begriffen sie: Der Ort, an dem das Reich Gottes beginnt, befindet sich auf der Erde, an der Stelle, die Gott uns zugewiesen hat.

Der Alltag ist der Glücksfall, in dem wir finden und gefunden werden, wo sich dann Lebensfreude einstellt. Es gibt im Alltag jene Momente, an denen das Leben für Größeres durchsichtig wird, Momente der Erfahrung von großem Glück, Erfahrungen der Geborgenheit in Gott, Erfahrungen, dass Gott uns mit sich selbst beglückt.

 

Im Gleichnis vom reichen Jüngling erzählt Jesus ein Gegenbeispiel, wie es oft anders geht. Jener reiche Jüngling wollte Jesus nachfolgen, aber als er, wie der Bauer in unserem Gleichnis, eingeladen wird, sein Hab und Gut zu verkaufen, da ging er traurig weg. Er konnte nicht bis in eine letzte Lebenstiefe, in die Tiefe des Lebens hineinhorchen, und statt Freude zog bei ihm dann Traurigkeit ein. (Mt 19,20-24.29)

„Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz.“ Diese Bitte Salomos darf allezeit auch unsere Bitte sein und werden. (FN)

 

Franz Nagler, Pfarrer

GEDANKEN ZU JER 20,10-13 UND MT 10,26-33 IM RAHMEN DES ORTSKIRCHENTAGES

GEDANKEN ZU JER 20,10-13 UND MT 10,26-33 IM RAHMEN DES ORTSKIRCHENTAGES

Die gehörten Lesungen, – sie sind die Lesungen des Tages – , haben zu unserem Motto des ökumenischen Ortskirchentages Wesentliches zu sagen: „Der Zukunft trauen?“

Muss man sich da zunächst nicht fragen – und das in unserer Zeit?
• einer Zeit, mit einem Vernichtungskrieg vor der Haustüre,
• einer Zeit, in der sich eine Protestaktion den Namen „Letzte Generation“ gegeben hat, um deutlich zu machen, dass die Erde keine Zukunft hat, wenn wir weiterhin so verbrecherisch mit der Umwelt umgehen,
• einer Zeit, in der ökonomische Interessen verhindern, dass der Klimakollaps ernsthaft bekämpft wird,
• einer Zeit, in der der Ressourcenverbrauch einiger, den Hungertod vieler mitverursacht.
Da soll man der Zukunft trauen?

In der Lesung bläst Jeremia in dasselbe Horn: „Grauen ringsum! Zeigt ihn an! Alle warten darauf, dass ich stürze.“ Die Anklage Jeremias gegen die Herrschenden erfuhr damals einen äußerst aggressiven Widerstand von Seiten des Königshauses und der Priesterschaft. Heute würde man ihm Wehrkraftzersetzung vorwerfen, denn er forderte, dass man sich mit der aufsteigenden Großmacht der Babylonier arrangiere und lehnte eine nichts versprechende Koalition mit Ägypten ab. Selbst seine engsten Freunde verließen ihn, nur noch sein Sekretär Baruch blieb bei ihm: „Grauen ringsum!“ Seine Verzweiflung ist nachvollziehbar.
Selbst Jesus rechnet im Evangelium mit Verfolgung und Ermordungen. „Grauen ringsum!“ – und da soll man der Zukunft trauen? Diese Aussage hat zudem keine Zeitangabe. Sie gab es zu allen Zeiten und wird es wohl immer geben. Doch gerade an diesem Tiefpunkt erfahren sowohl Jeremia wie Jesus eine Macht, eine Kraft, die alles wendet.
Unser Motto benennt es in der zweiten Hälfte: „Der Zukunft trauen – Um Gottes Willen.“
Man kann diesen Nachsatz auf zweifache Weise verstehen:
• Um Gottes willen, werdet keine Pessimisten und kämpft für eine gute Zukunft. Oder:
• Weil es Gottes Wille ist, dass Leben gelingt, könnt ihr der Zukunft trauen.
Hier sind wir an einem Punkt angelangt, wo es nicht mehr darum geht, wie düster oder weniger düster die Zukunftsaussichten sind, sondern darum, wovon sich der Mensch in dieser Situation bestimmen lässt. Getreu unserem Motto reicht es nicht, sich allein von Denken und Planen, von Aktionen und Prophezeiungen leiten zu lassen, sondern sich darüber hinaus als religiöse Menschen zu begreifen, denn ein gottloser Kapitalismus, ein gnadenloser Individualismus sind letztlich mitverantwortlich für die derzeitige Situation.

Im Blick auf Glaube und Religion geht es um ein Bewusstsein, sich vom „Unendlichen“ ansprechen und bestimmen zu lassen. Natürlich ist Religion ein Selbstvollzug, ein Gemeinschaftsgeschehen, aber auf der anderen Seite ist „der Unendliche Gott“ etwas Gegebenes, wofür der Mensch seine Sinne öffnen muss. Er gewinnt dadurch inmitten des Grauens einen festen Standpunkt, von dem aus er im Sinne „des Unendlichen Gottes“ dann handeln kann.
So die Kehrtwende in der gehörten Lesung. Zunächst spricht Jeremia von Grauen, um dann zu erfahren: „Der HERR steht mir bei wie ein gewaltiger Held. Darum straucheln meine Verfolger und können nicht überwältigen. Sie werden schmählich zuschanden, da sie nichts erreichen, in ewiger, unvergesslicher Schmach.“
„Um Gottes Willen“ kann er so der Zukunft trauen. „Um Gottes Willen“ können wir so der Zukunft trauen. Dabei wird „der Unendliche Gott“ weniger auf denkerische Art und Weise von uns Menschen erfahren. Eher im Herzen werden wir von Gott berührt. Vor allem in unserer Innerlichkeit werden wir im Glauben von der Nähe Gottes berührt, erschüttert.
Jeremia machte die Erfahrung, dass Gott ihm, trotz allen Grauens, einen festen Halt gibt, so dass er seine negativen Gedanken Gott überlassen kann: „Ich werde deine Vergeltung an ihnen sehen;“
Wir können Gott nicht als eine Sache begreifen. Wir werden ihn nur im Ereignis erfahren. Indem Gott wirkt und wir uns ihm gegenüber öffnen, erfahren wir seine heilende und aufbauende Gegenwart. Gott vollzieht sich dann in uns Menschen und wir werden entschieden für sein Reich auf dieser Erde einstehen.
So kann Jesus im Evangelium sagen: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!“
Dreimal verwendet Jesus in dieser kurzen Perikope den Aufruf: „Fürchtet euch nicht!“ So ermutigend hatte Jeremia Gott erfahren und er konnte mutig seinen Weg weitergehen. Vor demselben Hintergrund handelte Jesus und ließ sich selbst vom Kreuzestod nicht abschrecken.

Wir Menschen sind im Letzten unbehauste Wesen. Nackt kommen wir in die Welt, nackt werden wir sie wieder verlassen. Familie und Freunde, Haus und Habe, Lebensstil und Denken, das alles gibt nur ein zeitliches Zuhause. Aber wir können über den Tellerrand hinausschauen und uns dem Heiligen öffnen und von daher Kraft, Bestimmung und Sinn erfahren.
In diesem Zusammenhang sagt Jesus: „Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen.“
Kein anderer als Oscar Romero ist diesen Weg kompromisslos gegangen, denn ein Mittelweg ist nicht golden, wie es das Sprichwort sagt, sondern farblos.
In einer Predigt sagte Romero: „Eine Kirche, die keine Krise bewirkt, ein Evangelium, das nicht erschüttert, ein Wort Gottes, das niemandem unter die Haut geht; was für ein Evangelium ist das? Ein frommes Gedankenspiel, das niemanden beunruhigt … die Leute, die jedes beschwerliche Thema vermeiden, um nicht gestört zu werden, um keine Probleme und Schwierigkeiten zu haben, helfen der Welt nicht, in der sie leben.“
Soweit seine Worte. Insofern kann man heute das Wort Jesu: „Fürchtet euch nicht“ aufnehmen und sagen: „Fürchtet euch nicht vor denen, die nur den Leib töten können.“ Aber fürchtet euch vor einem Leben, das gar kein Leben ist, weil es unterhalb eurer Berufung, weil es unter euren Möglichkeiten bleibt.

Bei aller Bedrängnis steht gegen alle Furcht des Menschen vor seinen Mitmenschen, vor allen düsteren Aussichten, die Gottesfurcht. Gottesfurcht verstanden als Aufhebung der Furcht vor Gott in einem Halt gebenden Vertrauen in seine Wegbegleitung.

Der Zukunft trauen – Um Gottes willen! Wir können, müssen vielleicht den Satz auch umdrehen: Um Gottes willen, vertraut der Zukunft, denn Gott lebt sie mit uns. Seine Lebensfantasie, seine Weltanschauung ist Leben. In diesem Sinne gehen wir in die kommende Woche mit dem Zuspruch Jesu: „Bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt.“

Franz Nagler, Pfarrer