Gedanken zu Mk 1,40-45

Demonstrationen in großem Ausmaße haben in den letzten Wochen das öffentliche Bild in Deutschland geprägt und bestimmen es weiterhin. Die Mitte der Gesellschaft tritt auf, lautstark gegen Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit, für mehr Demokratie und kulturelle Vielfalt. Letztlich geht es um Integration, dass kein Mensch aufgrund von Behinderung, Rasse, Geschlecht oder anderer Andersheiten ausgeschlossen wird. Wer andere ausschließt, engt sich ein und verarmt.

 

Wir haben heute ein Evangelium, das diese Thematik aufgreift. Da wird ein Mensch aufgrund einer Krankheit ausgeschlossen und erfährt in einem solchen Maße die Tragik seines Ausschlusses, dass er hier die ihm auferlegten Grenzen sprengt. Der Aussätzige durchbricht seinen abgegrenzten Bereich und nähert sich der Menschengruppe um Jesus.

 

Die Regeln für die Trennung von Aussätzigen von der Allgemeinheit sind zwar nachvollziehbar, – bei uns in der Coronazeit war es durch den Hausarrest nicht anders -, aber sie lassen die Lebenssituation der Betroffenen völlig außer Acht, sogar zuweilen soweit, dass die Betroffenen, die Kranken selbst sich als eine Zumutung für jede und jeden anderen empfinden, sogar gegenüber Gott. Mit solchen Selbstwertwunden leben zu viele Menschen, sogar ohne Krankheiten, mit der Folge, dass Teile des Lebens verborgen werden müssen, dass vieles getan wird, um irgendwie Anerkennung in der Gesellschaft zu erfahren.

 

Rainer Maria Rilke hat diese Erfahrung von Selbstwertwunden in einem Gedicht über Aussatz so verarbeitet:

Sieh, ich bin einer, den alles verlassen hat.
Keiner weiß in der Stadt von mir,
Aussatz hat mich befallen.
Und ich schlage mein Klapperwerk
klopfe mein trauriges Augenmerk
in die Ohren allen
die nahe vorübergehn.
Und die es hölzern hören, sehn
erst gar nicht her und was hier geschehn
wollen sie nicht erfahren.

Soweit der Klang meiner Klapper reicht
bin ich zuhause; aber vielleicht
machst Du meine Klapper so laut,
dass sich keiner in meine Ferne traut
der mir jetzt aus der Nähe weicht.
So dass ich sehr lange gehen kann
ohne Mädchen, Frau oder Mann
oder Kind zu entdecken.

Thiere will ich nicht schrecken

 

Der Erkrankte klagt hier über seine Ausgeschlossenheit, über seinen selbst empfundenen Unwert: „Und ich schlage mein Klapperwerk, klopfe mein trauriges Augenmerk in die Ohren allen, die nahe vorübergehn. Und die es hölzern hören, sehn erst gar nicht her und was hier geschehn wollen sie nicht erfahren.“ Er hat sich in seine Ausgeschlossenheit eingewöhnt: „Soweit der Klang meiner Klapper reicht bin ich zuhause;“ er wünscht sich sogar, dass sich die Ferne vergrößere, aber letztlich ist es ein einziger Schrei nach: „Mädchen, Frau oder Mann oder Kind.“ Tiere will er nicht schrecken.
Der Aussätzige im Evangelium verhält sich da anders. Dabei ist es nicht nur der Leidensdruck, der ihm hilft, die Grenze zu sprengen, es ist auch die feste Hoffnung und Gewissheit, dass dieser Jesus, von dem er gehört hatte, ihn heilen werde. „Wenn du willst, kannst du mich rein machen“, wendet er sich an Jesus.
Der Aussätzige brachte den Mut auf, und sei es aus Verzweiflung, das Wüstenei der Versteckspiele zu verlassen. Offensichtlich bewegte ihn die tiefe Hoffnung, dass es auch für ihn ein freies, ein befreites Leben geben kann, ja geben muss und dass dies zu finden wäre in diesem Jesus von Nazaret. So fügt er sich nicht in sein Schicksal, sondern bricht alle Tabus und wagt den Weg auf diesen Jesus zu, sogar bis zu seinen Füßen: „Er fiel vor ihm auf die Knie.“
Und Jesus hatte Mitleid mit ihm. In ursprünglicheren, früheren Handschriften steht hier: Jesus empfand Zorn, Zorn, dass da ein Mensch sich schämen muss für sich selbst, bis in seinen intimsten Gefühlsbereich hinein, bis in seine Beziehung zu Gott. So soll kein Mensch leben müssen.
Dies lässt nun Jesus alle Tabus brechen: „Ich will – werde rein!“ Er spricht nicht nur diese heilenden Worte, er streckt seine Hand aus und berührt diesen Menschen. Er nimmt dabei in Kauf, selber unrein zu werden, ausgegrenzt zu werden, was dann ja auch am Kreuz grausame Wirklichkeit wurde.
Jesus sprengt hier die religiös gesellschaftlichen Grenzen, durch die Menschen herabgesetzt und ausgegrenzt werden, formt sozusagen eine Gesellschaft, Gemeinschaft der Unreinen, die nicht ausgrenzt und vertreibt.
Dies sollte in Zukunft sein Lebensprogramm werden. Die Evangelien erzählen davon viele Begebenheiten. Im Gedränge nähert sich Jesus eine Frau von hinten, um den Saum seines Gewandes zu berühren; ein Gelähmter wird durch eine Öffnung vom Dach herabgelassen; der blinde Bartimäus schreit so lange, bis er von Jesus bemerkt wird; eine ausländische Frau lässt sich nicht abwimmeln und diskutiert mit Jesus, bis er von ihrem Glauben so beeindruckt ist, dass er ihr Kind heilt. Daran vollends besteht kein Zweifel, dass Jesus Dämonen austrieb und heilend wirkte. Er war eben der Heiland.

 

Von Franz von Assisi, der gleichfalls Schranken und Tabus der Gesellschaft in seiner Zeit durchbrach, gibt es die Erzählung einer Begegnung mit einem Aussätzigen.
Nachdem er den Aussätzigen umarmt hatte, beschreibt er diese Erfahrung so: „Das, was mir vorher bitter vorkam, verwandelte sich in Süßigkeit der Seele und des Leibes.“
Man muss diese Erfahrung sehr ernst nehmen. Ausgrenzungen, aus welchen Gründen auch immer, heute: Rassismus, Vertreibung, Fremdenfeindlichkeit lassen das Leben verarmen, machen es bitter und eng.
Wo Menschen es wagen, Grenzen zu überschreiten, andere ganz nahe an sich heranzulassen, sich ihnen zu nähern, sie zu berühren, mit ihnen in Kontakt zu treten, zu helfen, da verwandeln sich die Bedenken, die Angst um das eigene Selbst, um die Wahrung des eigenen Wohlstandes in Süßigkeit der Seele und des Leibes.
Die Heilkraft Jesu rührte nicht von irgendeiner Magie her. Sie hatte ihren heilenden Grund in seinen Worten und Gesten und dem Vertrauen, dass Gott selbst heilend in den Menschen wirkt.
Im Grunde ist dies die Basis allen Segens: Wir sprechen Worte, Segensworte, wie z.B.: „Ich wünsche dir einen guten Tag“, in der Hoffnung, dass unser Wohlwollen bei den Menschen ankommt und dass Gott das Gewünschte im Leben dieser Menschen einlöse.

Franz Nagler, Pfarrer

Gedanken zu Erntedank und Mt 21,28-32

Freundschaft ist die Keimzelle einer demokratischen Gesellschaft, im Gegensatz zum aggressiven Individualismus einer Konsumgesellschaft. Wahre Freunde sind diejenigen, die füreinander das Beste wollen und zwar um des Anderen willen. Freundschaft basiert auf emotionaler Zuneigung zum anderen Menschen. Sie ist frei und freiwillig. Freundschaft muss gesucht, gepflegt und gefördert werden, damit sie erhalten bleibt. Gegenseitiges Wohlwollen, Sorge füreinander, gegenseitige Unterstützung, auch im Bewusstsein der Verletzlichkeit des Anderen, miteinander wachsen und reifen, Differenzen aushalten lernen, all dies ist lebensnotwendig für eine gute, lebenslange Beziehung, gleich welcher Art. Freundschaft ist nicht auf Gewinn ausgerichtet, aber sie bringt ein gewisses Maß an Gegenseitigkeit mit sich.

 

Heute, an Erntedank, möchte ich dies auf die Beziehung zu unserer Mutter Erde ausdehnen. Sicher, die Beziehung zur Mutter Erde, zur Schöpfung ist eine asymmetrische Beziehung, doch wir sollten nicht vergessen, dass es die Erde ist, die sich beständig um uns kümmert und uns Nahrung und Raum zum Leben gibt. Wir erhalten alles von der Erde. So sollten wir uns zu ihr so verhalten, dass sie allen Menschen, den anderen Lebewesen und auch den künftigen Generationen ein Auskommen bieten kann. Die freundschaftliche Einstellung zu ihr muss daher im Sinne eines Bewusstseins der Verbundenheit, der Zerbrechlichkeit, des Zusammenwachsens und der Schaffung eines sozialen und ökologischen Gemeinwohls verstanden werden.

Leider ist uns diese Grundlage ziemlich verloren gegangen. Der Mensch trat der Erde als zügelloser Herrscher und Ausbeuter gegenüber und ist jetzt an einem Punkt gekommen, wo er merkt: er gefährdet alles Leben auf der Erde. Die Anklage der jungen Generation: „Ihr raubt uns die Zukunft“, ist nicht unberechtigt. Der Mensch hat vergessen, dass er Teil der Schöpfung ist und mit den anderen Geschöpfen zutiefst verbunden ist. Mit gebieterischer Hand holt die Menschheit so viel wie möglich aus der Schöpfung heraus. So haben der Mensch und die Schöpfung aufgehört, sich freundschaftlich die Hand zu reichen und sind dazu übergegangen, sich einander feindselig gegenüberzustehen (LS 106). Deshalb ist eine ökologische Umkehr notwendig, die auf der Erfahrung der Verbundenheit des Menschen mit der gesamten Schöpfung und der Übernahme von Verantwortung und Fürsorge, beruht.

„Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will“, so der bekannte Ausspruch von Albert Schweitzer. Alles ist miteinander verbunden. Solidarität darf sich nicht nur auf die Menschen beschränken, sondern auf alle Lebewesen und die gesamte natürliche Umwelt. Wir leben nur ethisch gut, wenn wir die Heiligkeit in allem anerkennen. Dabei sind wir mit anderen Lebewesen auch durch die Erfahrung von Verletztheit und Ausgesetztsein verbunden. Die Erkenntnis, dass wir Menschen zerbrechliche und verletzliche Wesen sind, haben wir mit der ganzen Schöpfung gemeinsam.  Dies ruft uns zu Verantwortung, Solidarität und Fürsorge füreinander, auch für die Erde, unser gemeinsames Haus, auf.

 

Es ist bedeutsam, dass Franz von Assisi seinen Sonnengesang in einem Zustand großen inneren Leidens schrieb. Er schrieb den Hymnus, als er fast völlig blind war. In diesem Zustand machte Franziskus die starke Erfahrung einer gemeinsamen Bestimmung und geschwisterlichen Gleichheit mit allen endlich geschaffenen Wesen. Mit diesem Hymnus wollte Franz von Assisi die Menschen zu geschwisterlichem Respekt und zur Ehrfurcht vor den geschaffenen Wesen und Dingen anspornen. Dies zeigte sich ihm gerade in der Vergänglichkeit und im Tod. In der Atmosphäre des Todes erkennt Franz von Assisi die liebende Kraft Gottes, die die ganze Schöpfung im letzten Urgrund zu einer Einheit verbindet.

Heute, am Erntedankfest, darf uns dies neu bewusst werden und uns zum Handeln anregen. Dazu gibt das Evangelium eine anerkennenswerte Haltung wieder. Jesus erzählt von einem Weinbergbesitzer, der zwei Söhne hatte. Der eine sagte Ja zur Arbeit im Weinberg, wählte den geringsten Widerstand, tat aber nichts, der andere wagte den Konflikt, indem er verneinte, setzte sich aber dann doch so mit dem Auftrag auseinander, dass er später die Sache anging und handelte.

Jesus hatte hier zwar die Zielgruppe der Pharisäer im Blickwinkel, die nicht handelten, und die Zöllner und Dirnen, die sich mit seiner Botschaft auseinandersetzten, aber dies lässt sich genauso auf unsere Beziehung zur Umwelt übertragen, wobei ein Ja durch ein Nein gebrochen etwas Problematischeres ist, als wenn ein Nein durch ein Ja gebrochen wird. Wer zunächst Nein sagt, stellt sich oft der Problematik, muss sich verteidigen und kann allmählich die Thematik in sich reifen lassen, eben bis zu einem Ja. Wer vorschnell Ja sagt, stellt sich oft der Sache nicht und unterlässt das Handeln.

 

„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“, sagte Erich Kästner einmal oder Konrad Lorenz: „Was gesagt ist, ist noch nicht gehört. Was gehört ist, ist noch nicht verstanden. Was verstanden ist, ist noch nicht getan. Was getan ist, ist noch nicht beibehalten.“ Und Papst Franziskus fügte in seiner Art hinzu: „Mir ist eine verbeulte Kirche, die verletzt und beschmutzt ist, weil sie auf die Straße gegangen ist, lieber als eine Kirche, die aufgrund ihrer Verschlossenheit und ihrer Bequemlichkeit, sich an die eigenen Sicherheiten zu klammern, krank ist.“ (EG 49)

Jesus erinnert bei seinem Beispiel noch an die Reden Johannes des Täufers, wie er unermüdlich zu einem Umdenken aufforderte, aber nicht gehört wurde. Es gibt derzeit viele Propheten, die zu einem Umdenken aufrufen. Werden sie gehört?

Es geht nicht darum, schnell Ja zu sagen. Es geht darum, dass wir uns mit der Thematik auseinandersetzen, zumal wir im Schöpfungsbericht als Gärtner für die Schöpfung eingesetzt sind.

 

Ich schließe mit der Geschichte eines Rabbis: Dem Gerer Rabbi klagte einmal einer seiner Schüler: „Ich lerne unablässig, ich bete, mühe mich, gut zu sein und das Gute zu tun und merke dennoch nicht, dass ich dadurch Gott näherkomme.“ Da antwortete der Rabbi: „Nimm den Willen Gottes auf dich wie ein Ochse sein Joch und ein Esel seine Last. Schau, wie der Ochse lebt: er geht des Morgens aus dem Stall auf das Feld, er pflügt und wird wieder nach Hause geführt, und so Tag um Tag, und nichts ändert sich bei ihm, aber das gepflügte Feld bringt seine Frucht.“

 

Franz Nagler, Pfarrer

Allahs Bote

Allahs Bote

Eine alte arabische Sage erzählt von einem Scheik, den man den »Großen« nannte.

Eines Tages stand ein junger Mann in seinem Zelt und grüßte ihn. »Wer bist du?« fragte der Scheik. »Ich bin Allahs Bote und werde der Engel des Todes genannt.« Der Scheik wurde ganz bleich vor Schrecken. »Was willst du von mir?«-»Ich soll dir sagen, dass dein letzter Tag gekommen ist. Mach dich bereit. Wenn morgen Abend die Sonne untergeht, komm ich, um dich zu holen.«

Der Bote ging. Das Zelt war leer. Fröhlich klatschte der Scheik in die Hände und befahl einem Sklaven, das schnellste und beste Kamel zu satteln. Er lächelte noch einmal, weil er an den Boten dachte, der morgen Abend das Zelt leer finden würde.

Bald war der Scheik weit in der Wüste draußen. Er ritt die ganze Nacht und den ganzen Tag trotz der brennenden Sonne. Er gönnte sich keine Rast. Je weiter er kam, umso leichter war ihm ums Herz. Die Sonne war nicht mehr weit vom Rande der Wüste entfernt. Er sah die Oase, zu der er wollte. Als die Sonne unterging, erreichte er die ersten Palmen. Jetzt war er weit, weit weg von seinem Zelt. Müde stieg er ab, lächelte und streichelte den Hals seines Tieres: »Gut gemacht, mein Freund.« Er führte sein müdes Tier zum Brunnen. Und am Brunnen saß ruhig und wartend der Bote, der sich Engel des Todes genannt hatte, und sagte: »Gut, dass du da bist. Ich habe mich gewundert, dass ich dich hier, so weit entfernt von deinem Zelt abholen sollte. Ich habe mit Sorge an den weiten Weg und an die brennende Sonne und an dein hohes Alter gedacht. Du musst sehr schnell geritten sein…«

(nach Fiedler)

Psalm eines Kriegsopfers

Psalm eines Kriegsopfers

Was habe ich getan,
dass ich so leiden muss,
was nur verbrochen,
dass man mich so heftig schlägt?

Andere haben entschieden,
mich fragten sie nicht,
nur wenige waren es,
doch die mit tödlicher Macht.

Sie fanden Gründe
den Feind zu bekämpfen
das Recht ist auf unserer Seite
tönten sie laut.

Nie habe ich verstanden
was man mich sehr früh lehrte,
wer Freund ist, wer Feind bleibt,
das war einfach so.

Den Feind malten sie mir
in den dunkelsten Farben,
die Sanften und Friedfertigen
verschwiegen sie mir.

Jetzt ist entflammt
der gräßliche Krieg
bringt Leid und Verderben,
Vernichtung und Tod.

Geflohen bin ich,
verwüstet mein Haus,
hinter starken Mauern
fand ich jetzt Schutz.

Um mich ein elendes
Schluchzen und Klagen,
ich verlor nur mein Haus,
andere die Mutter, den Sohn.

Siehst du die Tränen,
die zitternden Glieder,
Ewiger, Unbegreiflicher,
bewegt dich das nicht?

Missbraucht wirst du schamlos
von beiden Parteien,
dein Name ist Waffe
für schändliches Tun.

Fahre dazwischen,
lösche die Feuer.
Die Besonnenen stärke,
die Grausamen schwäche.

Und lass mich nicht hassen,
trotz meiner Wunden,
damit die Hoffnung auf Frieden
in mir nie erlischt.

Stephan Wahl

Ihr seid das Salz der Erde

Ihr seid das Salz der Erde

Gebet zum Weltmissionssonntag

O Jesus,
wenn der Himmel explodiert
und mit ihm Hoffnung und Vertrauen
in Politiker, die ihr eigenes Volk verraten,
wäre es leichter zu gehen als zu bleiben.
Doch du sagst: Ihr seid das Salz der Erde.

Sei du bei allen, die trotzdem bleiben
und zu den Menschen gehen,
um ihnen Licht zu bringen und zu essen,
und ihnen zu sagen:
Wir sind da und werden es auch bleiben!

Sei bei den Frauen und Männern,
die für die Jungen, Alten und Geflüchteten
ihr eigenes Leid verbergen,
weil sie alle Teil einer großen Familie sind
und wissen: Wir sind das Salz der Erde.

Das steckt mich an und ich bitte: Hilf mir zu verstehen,
dass auch ich die Welt lebendig machen kann.
Und im Vertrauen auf dich
hebe ich vorsichtig meine Hand und bin bereit.
Denn: Auch ich bin das Salz der Erde.

Ayline Plachta

Der den Tod auf Hiroshima warf

Der den Tod auf Hiroshima warf

Der den Tod auf Hiroshima warf
Ging ins Kloster, läutet dort die Glocken…
Der den Tod auf Hiroshima warf
Sprang vom Stuhl in die Schlinge, erwürgte sich.
Der den Tod auf Hiroshima warf
Fiel in Wahnsinn, wehrt Gespenster ab
Hunderttausend, die ihn angehen nächtlich,
Auferstandene aus Staub für ihn.

Nichts von alledem ist wahr.
Erst vor kurzem sah ich ihn
Im Garten seines Hauses vor der Stadt.
Die Hecken waren noch jung und die Rosenbüsche zierlich.
Das wächst nicht so schnell,
Dass sich einer verbergen könnte
Im Wald des Vergessens.
Gut zu sehen war
Das nackte Vorstadthaus, die junge Frau
Die neben ihm stand im Blumenkleid
Das kleine Mädchen an ihrer Hand
Der Knabe, der auf seinem Rücken saẞ
Und über seinem Kopf die Peitsche schwang
Sehr gut erkennbar war er selbst
Vierbeinig auf dem Grasplatz, das Gesicht
Verzerrt von Lachen, weil der Photograph
Hinter der Hecke stand, das Auge der Welt.

Marie Luise Kaschnitz

GEDANKEN ZU 1 KÖN 3,5.7-13 UND MT 13,44-46

„Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht!“ So die Bitte Salomos, die wir in der Lesung gehört haben. Eine Bitte, die man jedem Herrscher, jedem Politiker heute wünschen würde.

Salomo war der Nachfolger Davids, der 40 Jahre erfolgreich das Volk regierte und der seinem Nachfolger eine hohe Bürde hinterließ. Zudem war Salomo nach einem Ehebruch geboren, was für ihn eine zusätzliche Belastung war. Seine Bitte um ein hörendes Herz war daher Ausdruck einer schon reifen Lebenshaltung.

Im Hebräischen steht das Wort „Herz“ weniger für Gefühle, es ist Sitz des Denkens. Von daher bittet Salomo um ein hörendes Herz, um die Menschen, sich selbst, wie die Situation des Landes verstehen zu können.

 

Es war Etty Hillesum, eine holländische Jüdin, die in Ausschwitz ermordet wurde, die sich in diese Haltung des Hineinhorchens einübte. Sie schrieb: „Lieben und hineinhorchen in sich und andere, und forschen nach den Zusammenhängen in diesem Leben und nach dir. Eigentlich ist mein Leben ein unablässiges Hineinhorchen in mich selbst, in andere und in Gott. Und wenn ich sage, dass ich hineinhorche, dann ist es eigentlich Gott, der in mich hineinhorcht. Das Wesentlichste und Tiefste in mir horcht auf das Wesentlichste und Tiefste in den anderen. Gott horcht auf Gott.“

Hören, hineinhorchen ist nach ihr ein Akt, wo Gott in mich hineinhorcht, was nichts anderes bedeutet, als dass sich beim Hineinhorchen die Wirklichkeit, wie sie ist, in mir vergegenwärtigt und Wirkung erzielt.

So geht es Salomo auch nicht nur um ein Verstehen, sondern um jene Macht und Ermächtigung, die mir entgegenkommt, wenn ich in die Wirklichkeit hineinhorche.

Etty Hillesum brachte es auf den Punkt, wenn sie sagte: „Wenn ich sage, dass ich hineinhorche, dann ist es eigentlich Gott, der in mich hineinhorcht. Das Wesentlichste und Tiefste in mir horcht auf das Wesentlichste und Tiefste in den anderen. Gott horcht auf Gott.“

Damit ist eine Tiefe erreicht, die nicht tiefer sein könnte. Wenn Gott in der Tiefe allen Lebewesens vorhanden ist, dann kommuniziert in solchem Hinhorchen tatsächlich Gott mit Gott.

Hineinhorchen verlangt ein ungeteiltes Hören in der Hinwendung zur Wirklichkeit und zwar so, dass man sich wirklich der Wirklichkeit aussetzt und nicht nur, um sich selbst zu bestätigen.

 

Das Leben so in den Blick zu nehmen, verlangt eine unparteiische Betrachtung der anderen und der Dinge. Dieses Verweilen in der wahrnehmenden Betrachtung ist keine Selbstverständlichkeit, da wir ansonsten ganz schnell jeweils versuchen, alles zu unserem Vorteil zu verzwecken.

In das Leben hineinhorchen will die Wirklichkeit nicht verkürzen, reduzieren auf unsere Interessen und unser Habenwollen. Alles, was ist, was da ist, hat erst einmal das Recht da zu sein, ohne gleich verzweckt zu werden. Diese uneingeschränkte Offenheit gehört zum Hineinhören unbedingt dazu.

Wenn Salomo bittet: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz“, dann ging es ihm im besten Fall nicht um ein Übertrumpfen des Ansehens seines Vaters, sondern tatsächlich um ein Verstehen und Akzeptieren der Weite des Lebens, um so zu regieren, dass ein gutes Leben für alle möglich werde.

Gott ist nicht fern, wo Offenheit und Freiheit vorhanden sind. So ist es am Schluss nicht verwunderlich, dass Salomo mehr bekommt als erbeten: „Auch das, was du nicht erbeten hast, will ich dir geben: Reichtum und Ehre, sodass zu deinen Lebzeiten keiner unter den Königen dir gleicht.“

Um ein hörendes Herz bitten, hineinhorchen in das Leben, das ist der Boden, der unser Leben weit macht und Lebensfreude ermöglicht, wie Jesus im Evangelium verdeutlicht.

Jesus redet vom Reich Gottes und versucht seinen Jüngern den Inhalt mit Vergleichen zu erklären. Dabei verwendet er Vergleiche, die nicht nur damals erhellend waren, sondern es bis heute noch sind. Es sind alltägliche Bilder, die zum Hineinhorchen einladen.

 

Ein Bauer geht seiner alltäglichen Arbeit nach, aber nicht blindlings, sondern hellwach und entdeckt einen Schatz. Bei diesem Schatz muss man nicht unbedingt an Gold oder Silber denken, sondern vielmehr an ein überwältigendes Ereignis, ein überwältigendes Gefunden worden sein. In unserem Gleichnis erscheint es buchstäblich so, dass der Schatz den Bauern gefunden hat.

So erzählen es auch oft Paare, dass sie eher gefunden wurden. Hätte ich damals nicht die S-Bahn verpasst, hätte ich dich nie getroffen usw. Wenn wir den Schatz unseres Lebens gefunden haben, verändert sich alles, dann sehen wir die Welt mit anderen Augen.

Das Ereignis in unserem Evangelium war und hatte solche Qualität, dass der Bauer sich nicht mit dem Finden begnügte, sondern in die Zukunft investierte: „In seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker.“

Der Alltag wird ihm zum Glücksfall. Mitten im Alltag sind die Schätze verborgen und ein hörendes, hinhorchendes Herz wird sie entdecken.

 

Dazu eine schöne Geschichte von den zwei Mönchen, die miteinander in einem alten Buch lasen, dass es am Ende der Welt einen Ort gäbe, an dem Himmel und Erde sich berührten und das Reich Gottes begänne. Sie beschlossen, ihn zu suchen und nicht umzukehren, ehe sie ihn gefunden hätten. Eine Tür sei dort, so hatten sie gelesen. Man brauchte nur anzuklopfen und befände sich im Reich Gottes.

Schließlich fanden sie, was sie suchten. Sie klopften an die Tür, bebenden Herzens sahen sie, wie sie sich öffnete. Und als sie eintraten, standen sie zuhause in ihrer Klosterzelle und sahen sich gegenseitig an. Da begriffen sie: Der Ort, an dem das Reich Gottes beginnt, befindet sich auf der Erde, an der Stelle, die Gott uns zugewiesen hat.

Der Alltag ist der Glücksfall, in dem wir finden und gefunden werden, wo sich dann Lebensfreude einstellt. Es gibt im Alltag jene Momente, an denen das Leben für Größeres durchsichtig wird, Momente der Erfahrung von großem Glück, Erfahrungen der Geborgenheit in Gott, Erfahrungen, dass Gott uns mit sich selbst beglückt.

 

Im Gleichnis vom reichen Jüngling erzählt Jesus ein Gegenbeispiel, wie es oft anders geht. Jener reiche Jüngling wollte Jesus nachfolgen, aber als er, wie der Bauer in unserem Gleichnis, eingeladen wird, sein Hab und Gut zu verkaufen, da ging er traurig weg. Er konnte nicht bis in eine letzte Lebenstiefe, in die Tiefe des Lebens hineinhorchen, und statt Freude zog bei ihm dann Traurigkeit ein. (Mt 19,20-24.29)

„Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz.“ Diese Bitte Salomos darf allezeit auch unsere Bitte sein und werden. (FN)

 

Franz Nagler, Pfarrer

GEDANKEN ZU JER 20,10-13 UND MT 10,26-33 IM RAHMEN DES ORTSKIRCHENTAGES

GEDANKEN ZU JER 20,10-13 UND MT 10,26-33 IM RAHMEN DES ORTSKIRCHENTAGES

Die gehörten Lesungen, – sie sind die Lesungen des Tages – , haben zu unserem Motto des ökumenischen Ortskirchentages Wesentliches zu sagen: „Der Zukunft trauen?“

Muss man sich da zunächst nicht fragen – und das in unserer Zeit?
• einer Zeit, mit einem Vernichtungskrieg vor der Haustüre,
• einer Zeit, in der sich eine Protestaktion den Namen „Letzte Generation“ gegeben hat, um deutlich zu machen, dass die Erde keine Zukunft hat, wenn wir weiterhin so verbrecherisch mit der Umwelt umgehen,
• einer Zeit, in der ökonomische Interessen verhindern, dass der Klimakollaps ernsthaft bekämpft wird,
• einer Zeit, in der der Ressourcenverbrauch einiger, den Hungertod vieler mitverursacht.
Da soll man der Zukunft trauen?

In der Lesung bläst Jeremia in dasselbe Horn: „Grauen ringsum! Zeigt ihn an! Alle warten darauf, dass ich stürze.“ Die Anklage Jeremias gegen die Herrschenden erfuhr damals einen äußerst aggressiven Widerstand von Seiten des Königshauses und der Priesterschaft. Heute würde man ihm Wehrkraftzersetzung vorwerfen, denn er forderte, dass man sich mit der aufsteigenden Großmacht der Babylonier arrangiere und lehnte eine nichts versprechende Koalition mit Ägypten ab. Selbst seine engsten Freunde verließen ihn, nur noch sein Sekretär Baruch blieb bei ihm: „Grauen ringsum!“ Seine Verzweiflung ist nachvollziehbar.
Selbst Jesus rechnet im Evangelium mit Verfolgung und Ermordungen. „Grauen ringsum!“ – und da soll man der Zukunft trauen? Diese Aussage hat zudem keine Zeitangabe. Sie gab es zu allen Zeiten und wird es wohl immer geben. Doch gerade an diesem Tiefpunkt erfahren sowohl Jeremia wie Jesus eine Macht, eine Kraft, die alles wendet.
Unser Motto benennt es in der zweiten Hälfte: „Der Zukunft trauen – Um Gottes Willen.“
Man kann diesen Nachsatz auf zweifache Weise verstehen:
• Um Gottes willen, werdet keine Pessimisten und kämpft für eine gute Zukunft. Oder:
• Weil es Gottes Wille ist, dass Leben gelingt, könnt ihr der Zukunft trauen.
Hier sind wir an einem Punkt angelangt, wo es nicht mehr darum geht, wie düster oder weniger düster die Zukunftsaussichten sind, sondern darum, wovon sich der Mensch in dieser Situation bestimmen lässt. Getreu unserem Motto reicht es nicht, sich allein von Denken und Planen, von Aktionen und Prophezeiungen leiten zu lassen, sondern sich darüber hinaus als religiöse Menschen zu begreifen, denn ein gottloser Kapitalismus, ein gnadenloser Individualismus sind letztlich mitverantwortlich für die derzeitige Situation.

Im Blick auf Glaube und Religion geht es um ein Bewusstsein, sich vom „Unendlichen“ ansprechen und bestimmen zu lassen. Natürlich ist Religion ein Selbstvollzug, ein Gemeinschaftsgeschehen, aber auf der anderen Seite ist „der Unendliche Gott“ etwas Gegebenes, wofür der Mensch seine Sinne öffnen muss. Er gewinnt dadurch inmitten des Grauens einen festen Standpunkt, von dem aus er im Sinne „des Unendlichen Gottes“ dann handeln kann.
So die Kehrtwende in der gehörten Lesung. Zunächst spricht Jeremia von Grauen, um dann zu erfahren: „Der HERR steht mir bei wie ein gewaltiger Held. Darum straucheln meine Verfolger und können nicht überwältigen. Sie werden schmählich zuschanden, da sie nichts erreichen, in ewiger, unvergesslicher Schmach.“
„Um Gottes Willen“ kann er so der Zukunft trauen. „Um Gottes Willen“ können wir so der Zukunft trauen. Dabei wird „der Unendliche Gott“ weniger auf denkerische Art und Weise von uns Menschen erfahren. Eher im Herzen werden wir von Gott berührt. Vor allem in unserer Innerlichkeit werden wir im Glauben von der Nähe Gottes berührt, erschüttert.
Jeremia machte die Erfahrung, dass Gott ihm, trotz allen Grauens, einen festen Halt gibt, so dass er seine negativen Gedanken Gott überlassen kann: „Ich werde deine Vergeltung an ihnen sehen;“
Wir können Gott nicht als eine Sache begreifen. Wir werden ihn nur im Ereignis erfahren. Indem Gott wirkt und wir uns ihm gegenüber öffnen, erfahren wir seine heilende und aufbauende Gegenwart. Gott vollzieht sich dann in uns Menschen und wir werden entschieden für sein Reich auf dieser Erde einstehen.
So kann Jesus im Evangelium sagen: „Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht töten können, sondern fürchtet euch eher vor dem, der Seele und Leib in der Hölle verderben kann!“
Dreimal verwendet Jesus in dieser kurzen Perikope den Aufruf: „Fürchtet euch nicht!“ So ermutigend hatte Jeremia Gott erfahren und er konnte mutig seinen Weg weitergehen. Vor demselben Hintergrund handelte Jesus und ließ sich selbst vom Kreuzestod nicht abschrecken.

Wir Menschen sind im Letzten unbehauste Wesen. Nackt kommen wir in die Welt, nackt werden wir sie wieder verlassen. Familie und Freunde, Haus und Habe, Lebensstil und Denken, das alles gibt nur ein zeitliches Zuhause. Aber wir können über den Tellerrand hinausschauen und uns dem Heiligen öffnen und von daher Kraft, Bestimmung und Sinn erfahren.
In diesem Zusammenhang sagt Jesus: „Jeder, der sich vor den Menschen zu mir bekennt, zu dem werde auch ich mich vor meinem Vater im Himmel bekennen.“
Kein anderer als Oscar Romero ist diesen Weg kompromisslos gegangen, denn ein Mittelweg ist nicht golden, wie es das Sprichwort sagt, sondern farblos.
In einer Predigt sagte Romero: „Eine Kirche, die keine Krise bewirkt, ein Evangelium, das nicht erschüttert, ein Wort Gottes, das niemandem unter die Haut geht; was für ein Evangelium ist das? Ein frommes Gedankenspiel, das niemanden beunruhigt … die Leute, die jedes beschwerliche Thema vermeiden, um nicht gestört zu werden, um keine Probleme und Schwierigkeiten zu haben, helfen der Welt nicht, in der sie leben.“
Soweit seine Worte. Insofern kann man heute das Wort Jesu: „Fürchtet euch nicht“ aufnehmen und sagen: „Fürchtet euch nicht vor denen, die nur den Leib töten können.“ Aber fürchtet euch vor einem Leben, das gar kein Leben ist, weil es unterhalb eurer Berufung, weil es unter euren Möglichkeiten bleibt.

Bei aller Bedrängnis steht gegen alle Furcht des Menschen vor seinen Mitmenschen, vor allen düsteren Aussichten, die Gottesfurcht. Gottesfurcht verstanden als Aufhebung der Furcht vor Gott in einem Halt gebenden Vertrauen in seine Wegbegleitung.

Der Zukunft trauen – Um Gottes willen! Wir können, müssen vielleicht den Satz auch umdrehen: Um Gottes willen, vertraut der Zukunft, denn Gott lebt sie mit uns. Seine Lebensfantasie, seine Weltanschauung ist Leben. In diesem Sinne gehen wir in die kommende Woche mit dem Zuspruch Jesu: „Bei euch sind sogar die Haare auf dem Kopf alle gezählt.“

Franz Nagler, Pfarrer

Geworden bin ich

Geworden bin ich

Geworden bin ich
durch deine Liebe,
mit der du mich
geschaffen hast.

Gewachsen bin ich
durch alles hindurch,
auch den Schmerz,
den du mir nicht erspart hast.

Gerufen bin ich
bei meinem Namen,
den du geschrieben hast
in die Fläche deiner Hand.

Gehalten bin ich
von deiner Treue,
die du mir bewahrt hast
durch all die Jahre.

Geführt bin ich
von deiner Vorsehung,
die mich begleitet hat
auch in der Gefahr.

Gesegnet bin ich
mit deiner Gnade,
die du mir schenkst
mein Leben lang.

Paul Weismantel, Domvikar Bistum Würzburg

Es zählt nicht in der Welt

Es zählt nicht in der Welt

Es zählt nicht in der Welt, kleiner Chinese,
Dessen Namen ich nicht einmal aussprechen kann,
Und dessen Angesicht mir fremd ist und unbekannt,
Er zählt nicht in der Welt, dein Tod…

Doch fallen fühl ich dich, als fiel ich selbst,
Und nach dem Herzen, wo der kalte Stahl
Deinem Blut den Ausweg schnitt,
Hingreifen vier, hingreifen dein und meine Hände…

Dass Schanghai brennt und lodert,
Und deine Frau stirbt, und dein Kind stirbt,
Und eine zweite Bombe dir den Leib zerfetzt,
Es zählt nicht in der Welt, kleiner Chinese…

Doch in dem Lodern und Brennen von Schanghai
Brennt und lodert das Dorf, in dem ich wohne,
Und stirbt meine Frau und stirbt mein Kind,
Und stürzt mein Haus in Trümmer…
Doch dies alles zählt nicht in der Welt, kleiner Chinese,
Dessen Namen ich nicht einmal aussprechen kann,
Und dessen Angesicht mir fremd ist und unbekannt,
Er zählt nicht in der Welt, dein Tod…

Marnix Van Gavere