GEDANKEN ZU 1 KÖN 3,5.7-13 UND MT 13,44-46

„Verleih daher deinem Knecht ein hörendes Herz, damit er dein Volk zu regieren und das Gute vom Bösen zu unterscheiden versteht!“ So die Bitte Salomos, die wir in der Lesung gehört haben. Eine Bitte, die man jedem Herrscher, jedem Politiker heute wünschen würde.

Salomo war der Nachfolger Davids, der 40 Jahre erfolgreich das Volk regierte und der seinem Nachfolger eine hohe Bürde hinterließ. Zudem war Salomo nach einem Ehebruch geboren, was für ihn eine zusätzliche Belastung war. Seine Bitte um ein hörendes Herz war daher Ausdruck einer schon reifen Lebenshaltung.

Im Hebräischen steht das Wort „Herz“ weniger für Gefühle, es ist Sitz des Denkens. Von daher bittet Salomo um ein hörendes Herz, um die Menschen, sich selbst, wie die Situation des Landes verstehen zu können.

 

Es war Etty Hillesum, eine holländische Jüdin, die in Ausschwitz ermordet wurde, die sich in diese Haltung des Hineinhorchens einübte. Sie schrieb: „Lieben und hineinhorchen in sich und andere, und forschen nach den Zusammenhängen in diesem Leben und nach dir. Eigentlich ist mein Leben ein unablässiges Hineinhorchen in mich selbst, in andere und in Gott. Und wenn ich sage, dass ich hineinhorche, dann ist es eigentlich Gott, der in mich hineinhorcht. Das Wesentlichste und Tiefste in mir horcht auf das Wesentlichste und Tiefste in den anderen. Gott horcht auf Gott.“

Hören, hineinhorchen ist nach ihr ein Akt, wo Gott in mich hineinhorcht, was nichts anderes bedeutet, als dass sich beim Hineinhorchen die Wirklichkeit, wie sie ist, in mir vergegenwärtigt und Wirkung erzielt.

So geht es Salomo auch nicht nur um ein Verstehen, sondern um jene Macht und Ermächtigung, die mir entgegenkommt, wenn ich in die Wirklichkeit hineinhorche.

Etty Hillesum brachte es auf den Punkt, wenn sie sagte: „Wenn ich sage, dass ich hineinhorche, dann ist es eigentlich Gott, der in mich hineinhorcht. Das Wesentlichste und Tiefste in mir horcht auf das Wesentlichste und Tiefste in den anderen. Gott horcht auf Gott.“

Damit ist eine Tiefe erreicht, die nicht tiefer sein könnte. Wenn Gott in der Tiefe allen Lebewesens vorhanden ist, dann kommuniziert in solchem Hinhorchen tatsächlich Gott mit Gott.

Hineinhorchen verlangt ein ungeteiltes Hören in der Hinwendung zur Wirklichkeit und zwar so, dass man sich wirklich der Wirklichkeit aussetzt und nicht nur, um sich selbst zu bestätigen.

 

Das Leben so in den Blick zu nehmen, verlangt eine unparteiische Betrachtung der anderen und der Dinge. Dieses Verweilen in der wahrnehmenden Betrachtung ist keine Selbstverständlichkeit, da wir ansonsten ganz schnell jeweils versuchen, alles zu unserem Vorteil zu verzwecken.

In das Leben hineinhorchen will die Wirklichkeit nicht verkürzen, reduzieren auf unsere Interessen und unser Habenwollen. Alles, was ist, was da ist, hat erst einmal das Recht da zu sein, ohne gleich verzweckt zu werden. Diese uneingeschränkte Offenheit gehört zum Hineinhören unbedingt dazu.

Wenn Salomo bittet: „Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz“, dann ging es ihm im besten Fall nicht um ein Übertrumpfen des Ansehens seines Vaters, sondern tatsächlich um ein Verstehen und Akzeptieren der Weite des Lebens, um so zu regieren, dass ein gutes Leben für alle möglich werde.

Gott ist nicht fern, wo Offenheit und Freiheit vorhanden sind. So ist es am Schluss nicht verwunderlich, dass Salomo mehr bekommt als erbeten: „Auch das, was du nicht erbeten hast, will ich dir geben: Reichtum und Ehre, sodass zu deinen Lebzeiten keiner unter den Königen dir gleicht.“

Um ein hörendes Herz bitten, hineinhorchen in das Leben, das ist der Boden, der unser Leben weit macht und Lebensfreude ermöglicht, wie Jesus im Evangelium verdeutlicht.

Jesus redet vom Reich Gottes und versucht seinen Jüngern den Inhalt mit Vergleichen zu erklären. Dabei verwendet er Vergleiche, die nicht nur damals erhellend waren, sondern es bis heute noch sind. Es sind alltägliche Bilder, die zum Hineinhorchen einladen.

 

Ein Bauer geht seiner alltäglichen Arbeit nach, aber nicht blindlings, sondern hellwach und entdeckt einen Schatz. Bei diesem Schatz muss man nicht unbedingt an Gold oder Silber denken, sondern vielmehr an ein überwältigendes Ereignis, ein überwältigendes Gefunden worden sein. In unserem Gleichnis erscheint es buchstäblich so, dass der Schatz den Bauern gefunden hat.

So erzählen es auch oft Paare, dass sie eher gefunden wurden. Hätte ich damals nicht die S-Bahn verpasst, hätte ich dich nie getroffen usw. Wenn wir den Schatz unseres Lebens gefunden haben, verändert sich alles, dann sehen wir die Welt mit anderen Augen.

Das Ereignis in unserem Evangelium war und hatte solche Qualität, dass der Bauer sich nicht mit dem Finden begnügte, sondern in die Zukunft investierte: „In seiner Freude ging er hin, verkaufte alles, was er besaß, und kaufte den Acker.“

Der Alltag wird ihm zum Glücksfall. Mitten im Alltag sind die Schätze verborgen und ein hörendes, hinhorchendes Herz wird sie entdecken.

 

Dazu eine schöne Geschichte von den zwei Mönchen, die miteinander in einem alten Buch lasen, dass es am Ende der Welt einen Ort gäbe, an dem Himmel und Erde sich berührten und das Reich Gottes begänne. Sie beschlossen, ihn zu suchen und nicht umzukehren, ehe sie ihn gefunden hätten. Eine Tür sei dort, so hatten sie gelesen. Man brauchte nur anzuklopfen und befände sich im Reich Gottes.

Schließlich fanden sie, was sie suchten. Sie klopften an die Tür, bebenden Herzens sahen sie, wie sie sich öffnete. Und als sie eintraten, standen sie zuhause in ihrer Klosterzelle und sahen sich gegenseitig an. Da begriffen sie: Der Ort, an dem das Reich Gottes beginnt, befindet sich auf der Erde, an der Stelle, die Gott uns zugewiesen hat.

Der Alltag ist der Glücksfall, in dem wir finden und gefunden werden, wo sich dann Lebensfreude einstellt. Es gibt im Alltag jene Momente, an denen das Leben für Größeres durchsichtig wird, Momente der Erfahrung von großem Glück, Erfahrungen der Geborgenheit in Gott, Erfahrungen, dass Gott uns mit sich selbst beglückt.

 

Im Gleichnis vom reichen Jüngling erzählt Jesus ein Gegenbeispiel, wie es oft anders geht. Jener reiche Jüngling wollte Jesus nachfolgen, aber als er, wie der Bauer in unserem Gleichnis, eingeladen wird, sein Hab und Gut zu verkaufen, da ging er traurig weg. Er konnte nicht bis in eine letzte Lebenstiefe, in die Tiefe des Lebens hineinhorchen, und statt Freude zog bei ihm dann Traurigkeit ein. (Mt 19,20-24.29)

„Verleih deinem Knecht ein hörendes Herz.“ Diese Bitte Salomos darf allezeit auch unsere Bitte sein und werden. (FN)

 

Franz Nagler, Pfarrer