GEDANKEN ZUR „WOCHE FÜR DAS LEBEN “ UND APG 2,14.22B-33; JOH 21,1-14

Gedanken zur „Woche für das Leben “ und Apg 2,14.22b-33; Joh 21,1-14

„Sinnsuche zwischen Angst und Perspektive“, so ist die diesjährige „Woche für das Leben“ überschrieben. Dieses Thema ergab sich aus dem Nachdenken darüber, wie vor allem die Generation Z, die durch die Coronapandemie geprägt wurde, ihre Zukunft sieht. Von ihr wurde der Begriff geprägt: „The Great Resignation“, die große Resignation.

  • Mitten in der Pandemie kündigten Menschen in Massen freiwillig ihre Jobs, in Deutschland jeder zehnte, jeder vierte sogar ohne einen neuen Job in Aussicht zu haben. Der größte Motor dieser Entwicklung war die Unzufriedenheit mit dem Arbeitsplatz, mit dem Führungsverhalten, vor allem mit der Work-Life-Balance, der Arbeits-Vergnügens-Balance. Wenn ich ohnehin nicht weiß, was morgen sein wird, warum soll ich dann nicht zumindest heute das machen, was ich wirklich will?

Es ist eine Generation, die im übervollen Supermarkt verhungert. Diese jungen Menschen haben so viel an Möglichkeiten, dass sie nicht wissen, wie und was sie wählen sollen.

  • Es gibt aber auch die anderen jungen Leute, für die der Supermarkt alles andere als voll ist, die am Rande stehen, die keine Perspektiven mehr sehen, die es verlernt haben, sich die Frage zu stellen, was sie wollen.

Während nun bei den einen die äußere Unsicherheit zum Anlass wird, den eigenen Werten und Prioritäten nachzuspüren und nach Wegen zu suchen, fühlen sich andere wie gelähmt, weil sie entweder die Fülle der Möglichkeiten erschlägt oder weil sie den Eindruck haben, von allen Möglichkeiten abgeschnitten zu sein.

  • Wo Menschen, vor allem junge Menschen, sich in solchen Situationen befinden, da herrscht Redebedarf. Hier gilt es, auf die inneren Regungen zu achten und unterscheiden zu lernen, was zu mehr Leben führt. Mehr Leben, das heißt, wo Begeisterung und ein persönliches Angesprochensein spürbar werden, wo die Lust wächst, sich einzusetzen und so etwas wie Berufung erahnbar werden kann.

Hier kann und soll der Glaube eine zentrale Rolle spielen und wo sich Jugendliche auf dieses Feld einlassen, bekommen sie ein festes Standbein in all diesen Auseinandersetzungen.

 

Wenn wir vor diesem Hintergrund das gehörte Evangelium sprechen lassen, lassen sich die Ausgangssituationen durchaus vergleichen.

  • Wir finden hier die Jünger Jesu am See von Galiläa. Einst hatte sie Jesus von dort weggeholt. Sie ließen ihre Netze liegen und folgten ihm. Ein bewegtes Leben wurde es an seiner Seite. Dann die furchtbare Katastrophe in Jerusalem, die Kreuzigung Jesu. Die Jünger kehren an ihre alte Stelle zurück, niedergeschlagen. Zuvor wurden sie von Jesus als Menschenfischer tituliert, jetzt sind sie wieder einfache Fischer. Selbst ihren gewohnten Beruf scheinen sie verlernt zu haben, denn sie fischen nichts, – des nachts, wo der Erfolg eigentlich garantiert ist.

„The Great Resignation“, die große Resignation könnte man auch hier sagen.

  • Selbst als sie an Land kommen und dort einen Fremden vorfinden mit der Frage: „Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen?“ müssen sie mit einem klaren „Nein“ antworten. Die Frage zielte nicht nur auf das Essen, sondern wesentlicher: „Habt ihr nichts Schmackhaftes im Leben? Nichts, was euch Sinn gibt? Wofür sich all die Mühe lohnt? Die Antwort ein glattes „Nein“. Der Frust muss schon tief sitzen, wenn man mit der Antwort nicht einmal ausweicht oder beschönigend antwortet.

In dieser resignativen Situation ergreift nun der Fremde am Ufer als Gesprächspartner das Wort mit einem Ratschlag, der zunächst für erfahrene Fischer kaum einsichtig ist, bei Tage noch einmal hinauszufahren, um zu fischen, denn eine alte Fischerweisheit lässt nur des nachts erfolgreich fischen. Aber so eine afrikanische Weisheit: „Das Wort, das dir weiterhilft, kannst du dir nicht selbst geben.“

  • Das ist jetzt sicher die Stärke der Jünger, dass sie hinhören. Auf der anderen Seite sollen sie das Netz auswerfen, sie sollen umdenken. Das Ergebnis ist überwältigend. Dabei wird ihnen aber eine Brüstung mit dem Erfolg entzogen, indem der Fremde schon ein Essen am Ufer vorbereitet hat, sie einlädt und sie lediglich bittet, etwas vom Fischfang beizusteuern.

Da gehen ihnen die Augen auf und sie erkennen in dieser Situation ihre vorherige Lebeweise mit Jesus wieder. Vor allem der Lieblingsjünger ist schnell bei der Sache. Er hatte am tiefsten die Lebensweise Jesu in sich eindringen lassen. „Es ist der Herr!“ Dieses Wissen nützt jetzt Petrus. Er zieht das Netz an Land und zusammen bilden sie eine neue werdende Gemeinschaft, die sich gegenseitig stärkt und nährt.

  • Nicht anders könnte es gehen mit der Generation Z, bevor sie ratlos und/oder überfordert resigniert. Es wird das Angebot eines Gespräches nötig sein, das ihnen hilft. Es wird die Spiritualität einer gelungenen Gemeinschaft sein, die ihnen hilft, die Talsohle zu durchschreiten. Für junge Menschen, die mit dem Smartphone aufwachsen und es gewohnt sind, buchstäblich rund um die Uhr online zu sein, die gleichzeitig lernen, Musik hören, ein Video anschauen und mit Freunden chatten, sind Gespräche über ihre Probleme oft eine fremde Welt. Dennoch ist es notwendig, ihre inneren Ängste und Hoffnungen wahrzunehmen und im Gespräch derjenige zu sein, der sie ermutigt, ihre Frustrationen und Hoffnungen benennen zu können.

 

Unser Evangelium hat auch noch einen historischen Hintergrund. Es wurde wahrscheinlich in Ephesus geschrieben, einer Stadt mit mehreren Kulturen. Die sieben genannten Jünger stehen für verschiedene Richtungen in der Kirche damals. Die zwei namenlosen Jünger in diesem Evangelium sind als Platzhalter für andere zu verstehen.

» Dadurch, dass sich alle am Feuer treffen,

» im Geiste Jesu Abendmahl, Eucharistie feierten, – dafür steh das Brot;

» dadurch, dass sie um ein Feuer sitzen, – das an die eigenen Schwächen, an den Verrat des Petrus erinnert;

» dadurch, dass trotz der Menge von 153 Fischen, – diese Zahl steht für die damals bekannten Arten von Fischen, also für alle bekannten Nationen, die Netze nicht zerrissen,

ist ein starkes Zeichen der Einheit gesetzt. Es spielte keine Rolle, ob einer wie Petrus ein Draufgänger war, ob einer wie Johannes auf die Liebe setzte, ob einer wie Thomas alles hinterfragte, ob Menschen wie die Donnersöhne, die Söhne des Zebedäus, Jakobus und Johannes nicht zimperlich in der Wahl ihrer Mittel waren, ob einer wie Nathanael, ein aufrechter Israelit war, das Netz zerriss nicht und ermöglichte eine geschwisterliche Kirche.

 

Jesus wird dort nicht erkannt, bis heute, wo wir ihn nicht als Auferstandenen wahrnehmen, sondern als Toten. So erging es den Jüngern, bis es ihnen wie Schuppen von den Augen fiel und sie ihn als Lebenden unter sich begriffen.

„Sinnsuche zwischen Angst und Perspektive“, so das Motto für die „Woche für das Leben“. Wo anders gewinnen wir Sinn, wenn nicht in der Gemeinschaft verschiedenster Möglichkeiten und Anschauungen, die im Geist der Geschwisterlichkeit und gegenseitiger Ermutigung gelebt werden?

 

Franz Nagler, Pfarrer