Gedanken zu Mt 2,1-12

Gedanken zu Mt 2,1-12

Sie kennen die Sprüche aus unserer Zeit: „Der Weg ist das Ziel“, dieser Spruch wird zwar auf Konfuzius zurückgeführt, aber dort lautet er etwas anders. Konfuzius sagte: „Der Gelehrte richtet seinen Willen auf den Weg.“ Damit ist nicht der Weg als das Ziel gemeint, sondern, dass man auf seinen Weg, hin auf das Ziel, achten soll und das war für Konfuzius ein Leben nach den Idealen der Ethik, Tugend und Treue. Dies wird bei der Bedeutung des heutigen Festes eine Rolle spielen, denn um ihr Ziel zu erreichen, mussten die Sterndeuter gut auf ihren Weg achten, wenn er nicht im Palast des Herodes enden und sein Ziel verfehlen sollte. Das andere Sprichwort unserer Tage heißt: „Neue Wege entstehen beim Gehen.“
Bei beiden so beliebten Sprüchen: „Der Weg ist das Ziel“ wie „Neue Wege entstehen beim Gehen“ fällt auf, dass sie buchstäblich das Ziel aus den Augen verloren haben. Dies ist typisch für die Verlorenheit unserer Zeit. Wenn es kein Ziel mehr zu erreichen gibt, versucht man pragmatisch alles auf dem Weg, losgelöst von Ethik und Tugend zu lösen, um dann buchstäblich irgendwann unter die Räder zu kommen, weil der Sinn und die Tiefe in allem verloren gegangen ist. Alles, was keinen Nutzen bringt, wird plötzlich zu einem Übel, das beseitigt werden muss.

Dem heutigen Fest liegt eine völlig andere Grundhaltung zugrunde. Die Sterndeuter haben ein klares Ziel, das sie erreichen wollen: „Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern aufgehen sehen und sind gekommen, um ihm zu huldigen.“
Um dieses Ziel zu erreichen, machten sie sich auf ungewohnte Wege. Sie kannten weder den Ort, wo sie suchen, noch was sie genau finden würden. Aber der Antrieb in ihnen muss wohl sehr mächtig gewesen sein, dass sie sich auf solch ungewissen Weg einließen. Nelly Sachs trifft in ihrem Gedicht: Sehnsucht, den Kern:

„Alles beginnt mit der Sehnsucht,
immer ist im Herzen Raum für mehr,
für Schöneres, für Größeres.
Das ist des Menschen Größe und Not:
Sehnsucht nach Stille,
nach Freundschaft und Liebe.
Und wo Sehnsucht sich erfüllt,
dort bricht sie noch stärker auf.
Fing nicht auch Deine Menschwerdung,
Gott, mit dieser Sehnsucht nach dem Menschen an?
So lass nun unsere Sehnsucht damit anfangen,
Dich zu suchen, und lass sie damit enden,
Dich gefunden zu haben.“

Dies beschreibt sehr gut die Motivation der Sterndeuter. Die Lesung beschrieb die Situation in den Ländern so: „Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker, doch über dir geht strahlend der HERR auf, seine Herrlichkeit erscheint über dir. Nationen wandern zu deinem Licht und Könige zu deinem strahlenden Glanz.“

Dieser Vision scheinen die Sterndeuter gefolgt zu sein. Denn, wer sitzen bleibt, wenn eine Sehnsucht ihn lockt, wird niemals finden. Wer aber der Sehnsucht seines Herzens folgt, der findet, der kann aber bald auch in gewaltige Auseinandersetzungen kommen, wie den Sterndeutern dann auch geschehen.

Das Erstaunliche bleibt dennoch die Fokussierung auf Jerusalem, bzw. auf Betlehem. Warum nicht Rom oder ein anderes bedeutendes Land oder eine andere bedeutende Stadt? Die Römer, die Griechen, die Perser – alle hatten einen reich ausgeschmückten Götterhimmel. Warum gerade die Fokussierung auf das jüdische Volk und speziell auf Jesus?
Die Antwort liegt wohl in der Auserwählung des jüdischen Volkes durch Gott Jahwe, diese innige Beziehung, die durch den Bund mit Jahwe bestand sowie die Bezeichnung von Jesus als dem Messias, als dem von Gott Erwählten und Gesalbten. Es war das Ziel der Sterndeuter, diesen Messias zu finden.
Der Weg führte sie natürlich zunächst zur Hauptstadt nach Jerusalem und zu Herodes. Doch ihr Erstaunen war groß, als sie sahen, dass ihre Sehnsucht nicht geteilt wurde. Im Gegenteil, ein großer Schrecken erfasste den Machtapparat des Herodes. Auch die Schriftgelehrten unterstellten sich dem Machtapparat des Herodes, – hatten wohl ihre Sehnsucht im Herzen schon lange abgetötet. So interpretierten sie die Schrift zwar richtig: „Du, Betlehem im Gebiet von Juda, bist keineswegs die unbedeutendste unter den führenden Städten von Juda; denn aus dir wird ein Fürst hervorgehen, der Hirt meines Volkes Israel“, aber sie zogen keine Konsequenzen daraus, bzw. stellten ihr Wissen einem Tyrannen zur Verfügung.
Herodes schlüpfte nun in die Rolle des Frömmelnden und später in die Rolle des Zornigen, der ihn zum Kindermörder werden ließ.
Die Sterndeuter fielen nun nicht in die Falle, dass der Weg das Ziel wäre, oder dass neue Wege beim Gehen entstünden, sie hielten am Ziel ihrer Sehnsucht, am Stern ihrer Sehnsucht fest und zogen weiter. Sie erlagen nicht der vermeintlichen Ehre, am königlichen Hof geehrt werden zu wollen. Sie fanden das Ziel ihrer Sehnsucht in dem Kind im Stall und huldigten ihm. Die innere Resonanz: große Freude, die Konsequenz: Hingabe! „Sie fielen nieder und huldigten ihm. Dann holten sie ihre Schätze hervor und brachten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe als Gaben dar.“

Gold, Weihrauch und Myrrhe, erstaunliche Gaben, die aber deutlich machen, worin die Sterndeuter die Erfüllung ihrer Sehnsucht sahen. Sie waren nicht blauäugig unterwegs. Die Gaben schließen eine Suche nach Macht und Reichtum aus. Deswegen durchschauten sie auch die List des Herodes.
Gold steht für die königliche Würde des Menschen, Weihrauch für seine Gottesbeziehung, Myrrhe für die Sterblichkeit. Mit diesen Gaben legten sie ein Bekenntnis zu einem Gott ab, der nicht in Tempeln und Götterbildern geehrt wird, sondern vor einem menschgewordenen Gott, in einem erbärmlichen Stall geboren, einem Menschen mit einer Gottesbeziehung, die enger nicht sein konnte und letztlich einem Gott, der am Kreuz starb, weil er sich zuinnerst mit dem Leiden der Menschen solidarisierte. In „dem Gefunden haben“ so eines Gottes sahen sie sich am Ziel ihrer Sehnsucht, ihrer Gottessuche. Die Begegnung hat sie dann verändert. Obwohl sie als Sterndeuter mit Zahlen und Berechnungen umgehen konnten, hörten sie auf einen Traum, sahen die Wirklichkeit des menschlichen Lebens hinter den Zahlen und kehrten auf einem anderen Weg heim in ihr Land. Aus Suchenden wurden Gefundene. Ihre alten Ängste und vermeintlichen Verbindlichkeiten hatten ihre Macht, ihre Wege zu bestimmen, verloren.

Nelly Sachs hatte recht mit ihrer Frage und ihren Worten:

Fing nicht auch Deine Menschwerdung,
Gott, mit dieser Sehnsucht nach dem Menschen an?
So lass nun unsere Sehnsucht damit anfangen,
Dich zu suchen, und lass sie damit enden,
Dich gefunden zu haben.

Dies gelang den Sterndeutern. Wie sieht dies bei uns aus? Als Stern, der uns vorangeht, haben wir das Evangelium, die ganze Heilige Schrift.
Franz Nagler, Pfarrer