Angedacht für Freitag 21. Januar 2022

Ein Leib und viele Glieder

Bei der Vorbereitung unseres kommenden Familiengottesdienstes haben wir uns im Team mit der Lesung aus dem 1. Korintherbrief beschäftigt. Hier ein Auszug:
„Wären alle zusammen nur e i n Glied, wo bliebe dann der Leib? So aber gibt es viele Glieder und doch nur e i n e n Leib. Das Auge kann nicht zur Hand sagen: Ich brauche dich nicht. Der Kopf wiederum kann nicht zu den Füßen sagen: Ich brauche euch nicht. Im Gegenteil, gerade die schwächer scheinenden Glieder des Leibes sind unentbehrlich.“ (1. Kor 12, 19-22)
An diese Lesung musste ich wieder denken, als mein Mann und ich in der Schule bei der Klassenlehrerin unserer Tochter saßen und uns beraten ließen, welche Schulart wir nach der 4. Klasse wählen sollten. Wir haben versucht, unvoreingenommen in das Gespräch zu gehen. Dass es leider nicht immer so ist, bestätigte sich dann auch.
Schon am nächsten Tag begann ein reger Austausch unter den Kindern, wer denn nun die begehrte Gymnasialempfehlung bekommen hat. Aber stellen wir uns einmal vor, worauf wir zusteuern würden, wenn alle dieselbe elitäre Schule besuchen würden. Wo blieben dann die scheinbar schwächeren Glieder, die unseren Leib doch vollkommen machen können und auch müssen?
Leider verlangt unsere Leistungsgesellschaft immer nur das Beste, Realschulabschluß scheint nicht mehr erstrebenswert zu sein. Gleichzeitig jammern wir über Fachkräftemangel im Handwerk, in der Pflege und im Handel. Für mich ein Widerspruch in sich.
Leider gibt es eher selten Verkäufer oder Köche mit Abitur, nicht, weil der Beruf weniger anspruchsvoll ist, sondern wahrscheinlich eher, weil er nicht so gut bezahlt wird. Vielen würden diese Tätigkeiten sicher Spaß machen, aber wenn wir 13 Jahre zur Schule gegangen sind, dann muss es sich doch auch „gelohnt“ haben? Diese Einstellung erhöht immer mehr den Leistungsdruck auf unsere Kinder.
Sollten wir nicht akzeptieren, dass wir alle verschieden sind?
Wir sind verschieden begabt und verschieden veranlagt. Ist es nicht gerade die gottgewollte Vielfalt, die unser Leben, den Leib, so bunt macht? Wenn alle das gleiche können und das gleiche denken, wie eintönig wäre diese Welt. Vielleicht sollten wir uns auch alle etwas mehr ausprobieren und sowohl mal unter als auch über unser Niveau schauen. Da finden wir sicherlich noch Dinge, die uns ansprechen und die wie für uns gemacht sind. Für die vermeintlich einfacheren Berufe braucht man ganz andere Begabungen, die vielleicht nichts mit Mathematik und Physik zu tun haben, aber mit Herz, Empathie und Mitgefühl.
Ein Leib und viele Glieder, ein Bibelvers, den wir alle mal wieder lesen sollten.

Manuela Paflitschek, Pastorale Mitarbeiterin